Position: Einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen EFAS
Bern/ , 15. Mai 2023DARUM GEHT ES
Die heutige ungleiche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) führt zu Fehlanreizen im System: Stationäre Leistungen werden von den Krankenversicherern und Kantonen dual-fix gemeinsam getragen. Die Kantone, und damit die Steuerzahlenden, übernehmen 55% und die Krankenversicherer, und somit die Prämienzahlenden, 45% der Kosten. Ambulante Leistungen hingegen werden vollumfänglich von den Prämienzahlenden getragen. Der Ent-scheid über eine Behandlung soll aus medizinischer und patientenorientierter Sicht getroffen werden und nicht von finanziellen Fehlanreizen beeinflusst sein. Solange eine ambulant durchgeführte Operation jedoch mehr kostet als 45% der Kosten einer medizinisch gleichwertigen stationären Behandlung, haben die Krankenversicherer keinen Anreiz, die unter Vollkostensicht allenfalls günstigere ambulante Leistung einzufordern. Das würde gegen die Interessen ihrer Versicherten laufen. Mit EFAS, der einheitlichen Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen, ist die Finanzierung weiterhin durch Steuern und Prämien getragen (Mittelherkunft dual), der Mitteleinsatz beim Leistungserbringer jedoch künftig einheitlich, unabhängig von der Behandlungsmodalität. Die Vorlage befindet sich seit 14 Jahren in Diskussion. In der Herbstsession 2019 hat der Nationalrat die Pa. Iv. (Humbel) 09.528 «Finanzierung der Gesundheitsleistungen aus einer Hand. Einführung des Monismus» angenommen. Drei Jahre später hat der Ständerat am 1. Dezember 2022 die Vorlage gutgeheissen und mehrere Differenzen geschaffen. Nun ist der Ball wieder beim Nationalrat.
DIE POSITION VON CURAFUTURA
curafutura unterstützt die Einführung der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) mit einer bedingten Aufnahme der Pflegeleistungen.
Der unbestrittene finanzielle Fehlanreiz an der Schnittstelle stationär/ambulant hat Fehl- und Überversorgung zur Folge. EFAS ist eine wichtige Reform, um unser Gesundheitssystem in Richtung mehr Effizienz und Qualität weiterzuentwickeln und um Fehlanreize zu vermeiden. Mit EFAS wird die Verlagerung vom stationären in den kostengünstigeren ambulanten Bereich sozialverträglich vorangetrieben. Weil EFAS zudem alternative Versicherungsmodelle durch tiefere Prämien im Vergleich zum Standardmodell noch attraktiver macht, verleiht sie der integrierten Versorgung zusätzlichen Schub. Um dieser zentralen Reform zum Durchbruch zu verhelfen, trägt curafutura die Integration der Pflege unter der Voraussetzung mit, dass diese an klare und umsetzbare Bedingungen geknüpft ist. Dass die Kantone weiterhin den Zugang zu allen Rechnungen des Spitalbereichs haben sollen, widerspricht dem Grundgedanken der Reform zur Vereinfachung und Effizienzsteigerung des Finanzierungssystems.
BEGRÜNDUNG
(1) EFAS setzt gleiche Anreize für Kantone und Versicherer
EFAS setzt positive Anreize für Kantone und Versicherer, die effizienteste Versorgung zu wählen – ohne Einbusse bei der Versorgungsqualität. So engagieren sich beide Kostenträger für weiterhin tragbare Gesundheitskosten, was dem Gesamtsystem zugutekommt.
(2) EFAS verleiht der integrierten Versorgung zusätzlich Schub
In integrierten Versorgungsmodellen können Versicherte bereits heute im Vergleich zum Standard- Versicherungsmodell von tieferen Prämien profitieren, weil dank der gut koordinierten Versorgung unnötige Spitalaufenthalte vermieden und Kosten eingespart werden. Mit EFAS wird eine grössere Einsparung der alternativen Versicherungsmodelle (AVM) ausgewiesen, weil die Kantonsgelder gleichermassen auf die verschiedenen AVM verteilt werden. So sinken die Prämien in diesen Modellen, was sie für Versicherte noch attraktiver macht. Auch aus medizinischer Sicht ist die Stärkung der integrierten Versorgung wünschenswert. Denn die Versorgung ist qualitativ besser, weil Patientinnen und Patienten bedarfsorientiert und noch gezielter behandelt werden.
(3) Mit EFAS wird die Verlagerung der Leistungen in den ambulanten Bereich sozialverträglich
Da Prämien im Unterschied zu Steuern nicht einkommensabhängig sind, werden derzeit durch die medizinisch mögliche, gesamtwirtschaftlich sinnvolle und politisch gewollte Verlagerung von stationär zu ambulant Prämienzahlende mit tiefen und mittleren Einkommen im Verhältnis stärker belastet. Durch die finanzielle Mitbeteiligung der Kantone im ambulanten Bereich wird diese Verlagerung sozialverträglich gemacht.
(4) Bedingtes Mittragen der Integration der Langzeitpflege in EFAS
Die Datengrundlage für den Einbezug der Pflege in EFAS fehlt. Zu diesem Schluss kommt der Bundesrat in seinem Bericht zum Postulat 19.3002. Die Finanzierung der Langzeitpflege bedarf der umfassenden Transparenz über die OKP-pflichtigen Kosten und einer eindeutigen Abgrenzung der Pflege- von den Betreuungsleistungen. Aufgrund der fehlenden Datenbasis sind auch die Kostenfolgen unbekannt. Daher ist es unabdingbar, die Integration der Langzeitpflege in EFAS an klare und umsetzbare Bedingungen zu knüpfen. Damit EFAS zum Durchbruch verholfen werden kann, trägt curafutura die Integration der Pflege in EFAS unter diesen Voraussetzungen mit.
(5) Auch mit EFAS ist die Rechnungskontrolle Kernaufgabe der Versicherer
Die Kantone sollen aus Sicht von curafutura nicht die Möglichkeit haben, die Kostenübernahme zu verweigern, wenn die formellen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Sie sollen auch keinen Zugang zu allen Originalrechnungen haben, die den Spitalbereich betreffen. Dies entspricht einer unnötigen Doppelspurigkeit und widerspricht dem Grundgedanken von EFAS. Dazu stellt sich die Frage des Datenschutzes der versicherten Person, wenn ihre Daten bei mehreren Instanzen zur Verfügung stehen. Der Verband vertritt weiterhin die Meinung, dass die Kantone keinen Zugang zu individuellen Rechnungsdaten im stationären Bereich zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen.
(6) Keine Ausweitung der Zulassungsbeschränkung im ambulanten Bereich
Aus Sicht von curafutura können mit den bestehenden Instrumenten der Wirtschaftlichkeitskontrolle (WZW-Kriterien) und der Qualitätsentwicklung bereits nicht notwendige Leistungen verhindert werden. Der Verband spricht sich weiterhin gegen die Schaffung von Steuerungsmöglichkeiten für die Kantone bei starkem Kostenanstieg im ambulanten Bereich aus. Dies entspricht einer unnötigen zusätzlichen Regulierung.
