2023 wurden Weichen gestellt – davon sollten wir 2024 profitieren
Bern/ , 6. März 2024Das Ja des Parlamentes zur einheitlichen Finanzierung EFAS war der Abschluss eines insgesamt aus gesundheitspolitischer Sicht erfolgreichen Jahres. Parlament, gesundheitspolitische Akteure und Bundesrat waren sich am 22. Dezember 2023 des Momentums bewusst. Sie haben die Gelegenheit gepackt und sich dafür eingesetzt, dass es zu einem Ja im Parlament bei der grössten Reform seit Einführung des Krankenversicherergesetzes KVG kommt. Die Energie, die dadurch freigesetzt wurde, und die Freude aller über den Erfolg, sollten wir ins Jahr 2024 mit der neuen Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider mitnehmen. Es ist an ihr und ihrem Departement, an den einen Puzzle-Stein des Fortschritts den nächsten anzureihen. Die zwei Gesuche für den ambulanten Arzttarif liegen auf dem Tisch der Bundesrätin. Ziel ist die Einführung per 1. Januar 2025. Damit dies gelingt, muss sie sich in den kommenden Wochen für eines von beiden entscheiden.
Das neue Jahr ist erst wenige Wochen alt. Und doch ist eine gewisse Aufbruchsstimmung in der Gesundheitspolitik in Bern spürbar. Am 22. Dezember 2023 hat das Parlament mit grosser Mehrheit der einheitlichen Finanzierung (EFAS) zugestimmt. Die jahrelangen Debatten sind damit Geschichte. Stattdessen hat eine lange herbeigesehnte positive Energie Einzug gehalten. Alle haben sich gemeinsam bereit erklärt, unser Gesundheitssystem einen grossen Schritt voranzubringen. Und dies aller Unkenrufen zum Trotz, es könnte bachab gehen, denn das Referendum sei schon angekündigt.
Im Fokus: Der ambulante Arzttarif
Die neue Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider kann von dieser positiven Energie profitieren. Ich hoffe, dass sie es auch wird! Denn wie das so ist, wenn man entschlossen ist und etwas Neues auf die Beine stellt: Sofort fällt der Blick auf das nächste, das nicht mehr zum Neuen passt. So gelingt Schritt für Schritt die Modernisierung. Und die positive Energie verleiht Schub, dranzubleiben.
Im Fokus habe ich den ambulanten Arzttarif. Genau wie EFAS haben der veraltete Arzttarif TARMED und seine überfällige Ablösung eine lange Leidensgeschichte. 2004 eingeführt, wurde TARMED nie überarbeitet, geschweige denn erneuert. Weil der Tarif so gut ist? Nein. Weil es um die Ausgestaltung von Verbesserungen und Erneuerungen am TARMED immer wieder zu Blockaden kam. Leider waren sich die Tarifpartner lange Zeit nicht einig, wie dessen Struktur auszusehen hatte. 2020 kam es zum Durchbruch! Der Versicherer SWICA sagte zusätzlich Ja zur neuen Tarifstruktur TARDOC. Damit hatten sich curafutura, FMH, MTK und SWICA gemeinsam auf eine neue Struktur geeinigt. TARDOC hatte eine Mehrheit der Versicherten hinter sich. Der eigentliche Durchbruch kam dann im Jahr 2022, als das neue nationale Tarifbüro mit Einbezug aller Tarifpartner curafutura, FMH, Santésuisse, H+ und MTK gegründet wurde. Das war der Startschuss für ein gemeinsames Vorankommen in der Dringlichkeit, endlich einen neuen ambulanten Arzttarif zu installieren. Inzwischen sind zwei Tarifgesuche beim Bundesrat eingereicht. Dies in der positiven Erwartung, dass der Bundesrat in der ersten Jahreshälfte 2024 darüber befindet und die Ablösung des TARMED gelingt. TARDOC hat Ende letzten Jahres von allen vier Tarifpartnern grünes Licht erhalten. Und die Architekten dahinter sind allen Vorgaben nachgekommen, die im Juni 2022 vom Bundesrat an den neuen Tarif gestellt wurden. Und an denen der Bundesrat nach wie vor festhält. Mit anderen Worten: TARDOC ist bereit. Will man vom Effort in der Gesundheitspolitik profitieren, wäre dies der Moment. Nur so klappt es, das angepeilte Ziel umzusetzen: Am 1. Januar 2025 einen neuen ambulanten Arzttarif einzuführen.
Der Entscheid ist politischer Natur. Erkennt der Bundesrat, dass es höchst problematisch ist, wenn man ein grosses Volumen wie es der ambulante Arzttarif darstellt, in der obligatorischen Krankenversicherung mit einem komplett veralteten Tarif lenkt? Und der allein schon deswegen erneuert werden muss? Ganz zu schweigen davon, dass das Volumen weiter zunehmen wird und dies – falls nichts passiert – mit einem Tarif, der nicht mehr zur aktuellen Medizin passt? Erkennt die Frau Bundesrätin und mit ihr ihr Departement, dass jetzt der Zeitpunkt reif ist? Weil sonst die positive Energie, die mit der Gründung des nationalen Tarifbüros entstanden ist, und dank dem Ja zu EFAS noch intensiviert wurde, wieder verpufft?
Wie komplex das schweizerische Gesundheitssystem geworden ist, zeigt die Debatte im Parlament im Rahmen des zweiten Massnahmenpaketes – etwa bei den Medikamenten. So wie die Debatte aktuell verläuft, muss ich davon ausgehen, dass die neuen Regeln zur Preisfestlegung von neuen Medikamenten bei der Aufnahme auf die Spezialitätenliste viel mehr Kosten verursachen als Kosten dämpfen werden. Aktuell kommen viele sehr teure Medikamente auf den Markt. Während eine neue Therapie in der Onkologie gemäss Bundesamt für Gesundheit (BAG) beispielsweise vor 10 Jahren noch 1’000 Franken kostete, sind es heute zwischen 8’000 und 10’000 Franken. So wie die Debatte aktuell läuft, scheint das Parlament gewillt zu sein, den Forderungen der Pharmabranche nachzukommen – mit schwerwiegenden Folgen für die Prämienzahler. Demnach würde nach Zulassung eines Medikamentes ein provisorischer, von der Pharmabranche definierter Preis gelten. Wird der Preis vom Bundesamt für Gesundheit nach unten korrigiert, hätte die Pharma-Branche ein Vetorecht, womit sich die Preisdebatte in die Länge zieht. Und der zu hohe Preis könnte sich viel zu lange halten. Die Frage sei daher erlaubt, inwiefern das zweite Massnahmenpaket ein Kostendämpfungspaket ist. Können wir den Versicherten zumuten, zum dritten Mal in Folge mit massiven Prämienaufschlägen den Kostenanstieg zu bewältigen?
Das neue Jahr hat also schon spannend begonnen. Man darf erwartungsvoll sein, wie es weiter geht. Ich bleibe optimistisch. Letztlich haben in der Schweiz in unserem starken demokratischen Gefüge im Grundsatz noch immer gute Lösungen mit Augenmass und Vernunft obsiegt. Von daher: Bleiben wir wachsam, zuversichtlich, und nehmen die Energie vom vergangenen Jahr in der Gesundheitspolitik mit und profitieren wir davon, indem wir Lösungen, die schon lange bereit sind, endlich klug installieren.