Arzttarif: Entscheid des Bundesrates ist unverständlich und nicht nachvollziehbar
Bern/ , 1. Juli 2021Der Revisionsbedarf des veralteten Arzttarifs TARMED ist unbestritten. Der heutige Entscheid des Bundesrates, die Genehmigung des TARDOC zu verschieben, ist daher unverständlich und nicht nachvollziehbar. Die Tarifpartner curafutura, FMH und MTK sehen darin eine verpasste Chance für die Einführung eines sachgerechten Tarifs, der den heutigen technischen Gegebenheiten der ambulanten Medizin entspricht. Die erneute Verzögerung benachteiligt Patientinnen und Patienten, Prämienzahlende und Leistungserbringer. Sie bremst auch die lösungsorientierten Kräfte im Gesundheitswesen aus. Die Tarifpartner curafutura, FMH und MTK werden nun prüfen, inwieweit die vom Bundesrat geforderten Anpassungen überhaupt umsetzbar sind. Gleichzeitig bieten sie die Hand jenen, die an der Überarbeitung mitarbeiten wollen, erwarten aber vom Gesundheitsminister in dieser Hinsicht seine Unterstützung und notfalls ein klares Machtwort.
Jedes weitere Jahr mit dem TARMED schadet unserer Gesundheitsversorgung, weil dieser Tarif seit 2004 gilt und medizinische Leistungen in einer zunehmend unausgewogenen und nicht mehr zeitgemässen Weise vergütet werden. Dies benachteiligt Patientinnen und Patienten und führt zu unsachgerechten Vergütungen von medizinischen Leistungen, da einige Leistungen übertarifiert sind, während andere unterbezahlt und nicht mehr kostendeckend vergütet wer-den. Wichtige Leistungen zum Beispiel aus dem Bereich der Grundversorgung oder der Psychiat-rie werden weiterhin nicht sachgerecht abgebildet und die Weiterentwicklung der Interprofes-sionalität erschwert. Ärztliche Leistungen müssen im Tarif ausgewogen und sachgerecht abgebil-det sein, wie es auch das Krankenversicherungsgesetz verlangt. Nur so ist eine gute und qualita-tiv hochstehende Patientenversorgung gewährleistet.
Die Tarifpartner curafutura, FMH und MTK werden nun den Entscheid des Bundesrates analysieren, um festzustellen, inwieweit die Forderungen nach Anpassungen des TARDOC überhaupt sachgerecht und umsetzbar sind, denn der TARDOC erfüllt in seiner aktuellen Version die gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien. Hinter dem TARDOC stehen mit der FMH die Mehrheit der Leistungserbringer sowie die Mehrheit der Versicherten (51 Prozent), vertreten durch die curafutura-Mitglieder CSS, Helsana, Sanitas und KPT sowie SWICA und der MTK (Unfallversicher, Invaliden- und Militärversicherung). Inzwischen fordern auch die Kinderspitäler die rasche Einführung des TARDOC. Mit dem Konzept der kostenneutralen Einführung des TARDOC wird sichergestellt, dass durch den Tarifwechsel vom TARMED zum TARDOC keine Mehrkosten entstehen. Daher widersprechen die Tarifpartner in den wichtigen Kriterien klar dem Bundesrat.
«Wer über Jahre zusammen nach Lösungen sucht, und diese in seinen Gremien demokratisch durchsetzt, wird bestraft, wer Opposition betreibt oder abseits steht, wird belohnt. Das ist eine Art Todesstoss für die Tarifautonomie», sagt Joachim Eder, Präsident des Tarifbüros ats-tms von curafutura, FMH und MTK zur Antwort des Bundes. Für ihn ist der BR-Entscheid wie ein Schlag ins Gesicht aller Beteiligten. curafutura-Direktor Pius Zängerle zeigt sich äusserst irritiert darüber, «dass der Bundesrat Tatsachen negiert sowie die Spielregeln im laufenden Spiel ändert». Und FMH-Präsidentin Yvonne Gilli meint: «Der TARMED ist völlig veraltet und entspricht nicht den Gegebenheiten der heutigen Medizin im digitalen Zeitalter. Es kann nicht sein, dass wir weiterhin jährlich 12 Milliarden Franken über einen Tarif abrechnen müssen, der nicht sachgerecht ist.»
Auskünfte:
Simone Hinnen, Leiterin Kommunikation curafutura, Tel. 076 373 79 74, simone.hinnen@curafutura.ch
Charlotte Schweizer, Leiterin Abt. Kommunikation FMH, Tel. 031 359 11 50, kommunikation@fmh.ch
Wir sind bereit, die Aufforderung des BR bis Ende 2021 umzusetzen: Das bis Ende 2021 Machbare machen wir möglich. Das bis Ende 2021 nicht Machbare realisieren wir danach. Das machen wir aber nicht alleine, sondern – wie der BR will – mit der persönlichen Unterstützung des Gesundheitsministers und gemeinsam mit den anderen Tarifpartnern. Wir fordern H+ und santésuisse auf, mit Hilfe des Tarifbüros ats-tms als Drehscheibe, die Zusammenarbeit materiell und formell aufzunehmen. Wir sind bereit, eine gute Grundlage für die neue, nationale Tariforganisation analog der Forderung von Bundesrat Berset zu schaffen: Der TARDOC ist dafür als Einzelleistungstarif mit Inkraftsetzung per 1.1.2023 gesetzt. Die anderen Tarifpartner sind aufgefordert, ihre Versprechen umzusetzen: Wir erwarten bis am 20. August 2021 einen vom Reifegrad her angemessenen und dem TARDOC-Reifegrad entsprechenden Vorschlag zu den Pauschalen, damit diese Ende 2021 mit allen Konzepten und Verträgen eingereicht und ebenfalls per 1.1.2023 in Kraft gesetzt werden können. |