curafutura verabschiedet sich – Zeit für eine Bilanz

Bern/ , 10. Dezember 2024

Für curafutura ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Nach zehnjähriger intensiver Tätigkeit wird unser Verband in seiner heutigen Form Ende 2024 umfirmiert. Was haben wir erreicht? Mit welchen Schwierigkeiten waren wir konfrontiert und welche Lehren ziehen wir daraus? Was hinterlassen wir denen, die mit dem Nachfolgeverband prio.swiss Anfang 2025 die Arbeit fortführen?

Wenn ich zurückblicke und mir die Ereignisse in Erinnerung rufe, kommt mir als Erstes in den Sinn: Was für ein aussergewöhnliches Abenteuer war das! Die Aufgabe war anspruchsvoll und komplex, die Herausforderungen in unserem Gesundheitssystem gross. Politisch tragfähige Lösungen zu finden und umzusetzen, ist nach wie vor alles andere als trivial. Aber unsere Mission war auch aufregend und spannend zugleich: Die Vielfalt der Debatte in der Gesundheitspolitik, die Komplexität der medizinischen und wirtschaftlichen Mechanismen, verstärkt noch durch das Ausmass an Regulierung. Und was mich immer wieder fasziniert hat: Die unzähligen Begegnungen mit Stakeholdern, Politikern und den Medien.

curafutura war auch eine fruchtbare Ideenschmiede, genährt durch das Fachwissen unserer Mitarbeitenden und Mitglieder, bereichert durch den Austausch mit den Stakeholdern und geleitet vom Ideal pragmatischer und kollaborativer Lösungen. An dieser Stelle möchte ich ganz besonders meinem Team danken! Ich bin stolz auf die Arbeit, die ihr geleistet habt, oft unter massivem Druck. Mal war es ein Marathon, mal brauchte es den Sprint, in Grossprojekten, die einen unerschütterlichen Durchhaltewillen erforderten. Jeder Tag brachte neue Situationen, ja Notfälle, aber auch neue Chancen mit sich.

Die Spuren von curafutura im Gesundheitssystem

Hat sich das Abenteuer gelohnt? Ich bin überzeugt: Ja. Denn die Wirkung von curafutura ist greifbar und wird noch lange nachhallen. Wir haben das Gesundheitssystem mitgestaltet. In wichtigen Bereichen ist es uns gelungen, die Dinge voranzutreiben und das System zu verbessern – im Interesse der Versicherten, der Patientinnen und Patienten sowie der Prämienzahlenden.

Ich denke natürlich zuerst an die Reform der einheitlichen Finanzierung, die gerade in der letzten Volksabstimmung angenommen wurde und zu Recht als die wichtigste Reform seit dem Inkrafttreten des KVG im Jahr 1996 bezeichnet wurde. Eine Anekdote sagt viel über unseren Beitrag zu diesem Projekt aus. Das Akronym EFAS, das den ursprünglichen Begriff ersetzte (vor 15 Jahren sprach man noch von „monistischer Finanzierung“ der Gesundheitsleistungen), entstand in unseren Räumlichkeiten an der Gutenbergstrasse.

Ein Detail, sicher. Aber es symbolisiert die Tatsache, dass wir aktiv an der Entwicklung dieser weitreichenden Reform mitgewirkt haben. Das betrifft sowohl den Inhalt und die verschiedenen Lösungen, die im Laufe der parlamentarischen Arbeit ausgewählt wurden, als auch die Überzeugungsarbeit dafür. Es war keine leichte Aufgabe, die grossen Auswirkungen, die diese Reform haben würde, aufzuzeigen und verständlich zu machen. Die von curafutura angeführte breite Allianz der Gesundheitsakteure mit rund 50 Organisationen, der Entscheid des Parlaments vom 22. Dezember 2023 und das Ergebnis der Volksabstimmung vom 24. November 2024 zeugen davon, dass uns dies gelungen ist.

Arzttarif: Die Revision, an die niemand glaubte

Die dringend notwendige Revision des ambulanten Arzttarifs war ebenfalls eines unserer grossen Herzblutprojekte. Es stand viel auf dem Spiel, handelt es sich doch um den – auch in Zukunft – grössten Tarif in der Krankenversicherung. Jedes Jahr werden Leistungen im Wert von 13 Milliarden Franken über diesen Tarif abgerechnet. Es hat also zunehmend katastrophale Folgen, wenn er nicht mehr aktuell ist, denn der Tarif ist das zentrale Instrument zur Versorgungslenkung, er beeinflusst medizinische Entscheidungen. Und er führt zu einer enormen Geldverschwendung, wenn er vom «richtigen» Preis abweicht.

Wir nahmen die Herausforderung zu einem Zeitpunkt an, als kaum noch jemand daran glaubte. Die TARMED-Revision war blockiert und die vorherigen Projekte waren unter grossem Getöse gescheitert. Unser Gelingen war nur möglich, indem wir die allzu konfrontative Haltung, die mitunter die Beziehungen zwischen den Tarifpartnern geprägt hatte, aufweichten und versuchten, partnerschaftlich und kooperativ mit der FMH Lösungen zu finden, anstatt Maximalpositionen einzufordern. So gelang es uns, aus der Sackgasse herauszukommen. Die Revision des Arzttarifs mit dem TARDOC und Pauschalen soll am 1. Januar 2026 Tatsache sein. Wo stünden wir heute, ohne die Rolle, die curafutura gespielt hat? Vermutlich hätten wir noch immer keinen Ersatz für den hoffnungslos veralteten TARMED.

Arzneimittelpreise: Skaleneffekte an die Versicherten weitergeben

Wir haben auch dafür gekämpft, die Preise für Medikamente zu senken. In einem Bereich, in dem die Preise administriert und die Marktmechanismen weitgehend ausser Kraft gesetzt sind, ist es uns gelungen, den Effekt von Economies of Scale, also die Skaleneffekte des stark steigenden Umsatzes auf die Preise wieder in die Preisdefinition einzubeziehen. Dank der Mengenrabatte auf hochpreisige Boomer-Medikamente (Kostenfolgemodelle) werden die Preise der Medikamente gesenkt, die kommerziell sehr erfolgreich sind. Dieser Mechanismus verändert die Preisgestaltung von Medikamenten grundlegend. Er wird nun voraussichtlich definitiv in das zweite Massnahmenpaket zur Kostendämpfung integriert.

Ich kann hier nicht auf alle Bereiche eingehen, in denen wir aktiv waren und dazu beigetragen haben, eine Lösung zu finden, etwa bei den Vermittlern, den Medikamentenmargen, der Qualität und anderen Kernthemen unseres Gesundheitssystems. Ich möchte aber doch noch den Apothekertarif erwähnen, dessen neue Version dazu beitragen wird, die Verschwendung von Medikamenten zu reduzieren und den Einsatz von Generika und Biosimilars zu erhöhen. Dies wird – bei gleichbleibender Qualität für Patientinnen und Patienten – zu Einsparungen von mehreren hundert Millionen Franken führen. Auch dies ein Beitrag zu weiteren kostendämpfenden Reformen.

Behördlicher Interventionismus: Eine Gefahr für das Gesundheitssystem

Natürlich haben wir auch Rückschläge erlitten, sind auf unüberwindbare Hindernisse gestossen und mussten manches mehrmals neu denken. In diesem Zusammenhang scheint es mir wichtig, eine Entwicklung zu benennen, die ungesund ist und für die unsere Nachfolgerinnen und Nachfolger Lösungen finden müssen.

Es ist oft die Rede von der Zerstrittenheit der Tarifpartner und von der Blockade in der Tarifentwicklung, mit der Folge, dass veraltete Tarife angewendet werden. Damit wird meiner Meinung nach der falsche Schuldige genannt. Das eigentliche Problem liegt woanders.

Laut Gesetz haben das EDI und der Bundesrat die Kompetenz, die Tarife zu genehmigen, die von den Tarifpartnern ausgehandelt wurden. In der Praxis tut das EDI jedoch weit mehr als das. Es ist nämlich selbst zu einer Art Tarifpartner geworden.

Das EDI begnügt sich nicht damit, die von den Tarifpartnern vorgelegten Lösungen zu prüfen und zu genehmigen. Es interveniert direkt (vor oder nach Einreichung) und knüpft die Genehmigung eines Tarifs an «Änderungswünsche» – Anpassungen, die höchstens am Rande mit den gesetzlichen Bedingungen zu tun haben, auf deren Grundlage das EDI den Tarif beurteilen soll. Das beste Beispiel hierfür ist der Arzttarif, bei dem mehrere Anläufe nötig waren, bis er akzeptiert wurde. Für Kenner der Materie empfehle ich, die Berichte und Stellungnahmen zu studieren, die das BAG seit 2019 zum TARDOC und den Pauschalen erstellt hat und diese auf einheitliche Methodik und Beurteilungskriterien zu prüfen.

Dies ist der Hauptgrund dafür, dass die Überarbeitung vieler im Gesundheitssystem verwendeter Tarife nicht oder nur sehr schleppend vorankommt. Angesichts dieser beunruhigenden Entwicklung wäre es gut, die Genehmigungsbehörde an ihre Rolle zu erinnern und diesem schädlichen Interventionismus ein Ende zu setzen.

Noch besser wäre es, wenn sich die Genehmigungsbehörde im Sinne eines mitschreitenden Verfahrens früher im Prozess mit den Herausforderungen, den notwendigen Kompromissen und den pragmatischen Lösungen befassen würde – ganz nach dem Motto: Fordern und fördern.

Viel Glück für prio.swiss: Der neue Verband der Krankenversicherer

Sie sehen, die Herausforderungen bleiben gross und die Arbeit wird dem neuen Verband der Krankenversicherer, prio.swiss, sicher nicht ausgehen. Ihm wünsche ich viel Glück und Erfolg bei seiner Tätigkeit.

Ich freue mich, dass alle Mitarbeitenden von curafutura, die dies wünschten, sich in dieser neuen Organisation engagieren können. Wenn prio.swiss etwas von unserem Geist und unserer Arbeitsweise übernimmt – etwa die partnerschaftliche Kooperation und die Pflege konstruktiver Beziehungen in der Branche, wird dies meines Erachtens mit Sicherheit eine gute Grundlage für den Erfolg des Verbandes sein.  

Damit hätte prio.swiss in der Tat in zwei grundlegenden Bereichen einen entscheidenden Vorteil, wie Henry Ford einst betonte: „Die beiden wichtigsten Dinge eines Unternehmens erscheinen nicht in seiner Bilanz: sein Ruf und seine Mitarbeiter.“