Pius Zängerle zur Entwicklung der Kosten: Jetzt müssen wir ins Handeln kommen

Bern/ , 17. März 2022
Pius Zängerle, Direktor curafutura

Führt uns das diskutierte Kostenmonitoring in der OKP in die Irre? Wenn man sich die jüngsten Reaktionen auf den Kostenanstieg von 5,1 % im Jahr 2021 anschaut, ist diese Frage durchaus berechtigt. Die Zahl von 5,1 % scheint einige Kommentatoren in helle Aufregung versetzt zu haben. Als Beobachter darf man sich fragen: Ist das berechtigt oder bloss zur Durchsetzung eigener Interessen?

Sicher ist dabei Angst der falsche Ratgeber. Um handeln zu können, ist eine saubere Analyse gefragt, indem man die Zahlen kontextualisiert. Der Kostenanstieg erfolgt nach mehreren Jahren, in denen die Kosten stabil geblieben sind. Der durchschnittliche Anstieg über zehn Jahre zeigt daher ein genaueres Bild: Es sind +2,5% pro Jahr. Dieser Wert ist keineswegs katastrophal, sondern liegt sogar unter dem Zielwert, den die Expertengruppe des Bundesrates 2017 vorgeschlagen hatte.

Der durchschnittliche Kostenanstieg von 2,5% sollte entsprechend als Kompass dienen. Folgen wir diesem Kompass, geht es nicht mehr darum, sich zu empören, wenn die Kostenentwicklung die 0 % überschreitet. Sondern darum, sich zu fragen, wie man den Kostenanstieg durch konkrete Massnahmen wirksam bremsen kann.

Eine erste Antwort ist die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen, EFAS. Die herausragende Bedeutung dieser Reform ist unter Gesundheitspolitikern unbestritten. Und trotzdem fehlt es an der nötigen Geschwindigkeit bei der Umsetzung. Die Integration der Langzeitpflege könnte die Implementierung von EFAS auf die lange Bank schieben. Zudem scheinen einige Kantone versucht zu sein, EFAS dafür einzusetzen, um die etablierte Rolle der Versicherer bei der Rechnungskontrolle in Frage zu stellen. Wir fordern den Ständerat auf, hier zeitnah eine Entscheidung zugunsten der Versicherten und der Prämienzahler zu treffen.

Die zweite Antwort, um die Effizienz des Gesundheitssystems zu steigern, ist die Inkraftsetzung des neuen Arzttarifs TARDOC. Die endgültige Startversion liegt seit Dezember 2021 auf dem Tisch des Bundesrates. Auch hier stellt sich die gleiche Frage wie bei EFAS: Wann kommt die Umsetzung? In diesem Newsletter geht curafutura-Präsident Josef Dittli auf Fragen ein und zeigt auf, dass die Kostenneutralität mit dem TARDOC gewährleistet ist. Doch ist diese Klärung nur ein Vorspiel für weitere Vorbehalte des EDI? Wir sind überzeugt, dass der Bundesrat in corpore die grossen Verbesserungen, die der TARDOC gegenüber dem TARMED bringt, anerkennen wird. Aus unzähligen Gesprächen bin ich mir sicher: Dem Bundesrat ist die Dringlichkeit der Situation bewusst.

EFAS und TARDOC zeigen, dass wir Werkzeuge in der Hand haben, um den durchschnittlichen Kostenanstieg von +2,5% zu bremsen. Dies sind konkrete Möglichkeiten, die von der Mehrheit der Tarifpartner unterstützt werden.

Man wundert sich daher über diejenigen, die eine stärkere Verstaatlichung, Zentralisierung und Planung des Gesundheitssystems vorziehen. Denn Instrumente wie Kostenziele oder Massnahmen zur Steuerung der Kosten würden unweigerlich dazu führen. Sind diese Vorschläge von Panik getrieben? Sind ihre Befürworter geblendet wegen der Scheinwerfer, die alleine auf die Kostenentwicklung gerichtet sind und bedrohliche Schatten werfen?

Eines ist sicher: Die Wirksamkeit dieser Massnahmen ist zweifelhaft. Die Entwicklung der OKP-Kosten in den letzten Jahren zeigt auch, dass der Staat weniger gut abschneidet als die Tarifpartner. In Bereichen, in denen die Preise von den Tarifpartnern ausgehandelt werden, sind die Kosten in den letzten zehn Jahren um 2,4% pro Jahr gestiegen. In Bereichen, in denen die Preise vom Staat festgelegt werden, stiegen sie um 3% pro Jahr. Das müsste zu denken geben.