Kosten-Bremse-Initiative
Bern/ , 28. März 2024Darum geht es
Im Frühjahr 2020 wurde von der Mitte (ehem. CVP) die eidgenössische Volksinitiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen (Kostenbremse-Initiative)» eingereicht. Die Mitte will mit der Kostenbremse-Initiative den Bundesrat und die Kantone verpflichten, eine Kostenbremse im Gesundheitswesen einzuführen. Liegt das Kostenwachstum pro versicherte Person zwei Jahre nach Annahme der Initiative um ein Fünftel über der Nominallohnentwicklung, soll der Bundesrat in Zusammenarbeit mit den Kantonen Kostenbegrenzungsmassnahmen ergreifen, die ab dem nachfolgenden Jahr wirksam werden. Damit soll erreicht werden, dass sich die Kosten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) entsprechend der schweizerischen Gesamtwirtschaft und den durchschnittlichen Löhnen entwickeln und die Prämien bezahlbar bleiben.
Der Bundesrat befürwortet grundsätzlich das Anliegen der Initiative, das Kostenwachstum in der OKP und die Belastung der Prämienzahlerinnen und Prämienzahler zu bremsen. Allerdings findet der Bundesrat die Koppelung an die Lohnentwicklung zu starr und lehnt die Initiative deshalb ab. In der Folge hat er am 10. November 2021 einen indirekten Gegenvorschlag für die Vorgabe von Kostenzielen in der OKP verabschiedet, der vom Parlament abgeschwächt wurde. Am 29. September 2023 nahmen die Räte in der Schlussabstimmung den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrats und den Bundesbeschluss über die Volksinitiative an (d. h. die Volksinitiative wurde abgelehnt). Die Initiative kommt am 9. Juni 2024 vors Volk.
Die Haltung von curafutura
curafutura lehnt die Volksinitiative ab. Der Verband nimmt das Thema der ständig steigenden Gesundheitskosten aber ernst und sieht Handlungsbedarf, die Belastung der Prämienzahlerinnen und -zahler zu reduzieren. Daher setzt sich curafutura für wichtige kostendämpfende Massnahmen und Reformen in der Gesundheitspolitik ein. curafutura lehnt die Kostenbremse-Initiative insbesondere ab, weil:
- die Umsetzbarkeit und Wirksamkeit der Kostenbremse-Initiative unklar ist;
- mit der Kostenbremse-Initiative die Versorgungssicherheit gefährdet ist;
- mit der Kostenbremse-Initiative die Rationierung medizinischer Leistungen droht;
- mit der Kostenbremse-Initiative keine Kosten gedämpft werden.
Die Gründe auf einen Blick
(1) Nein zu einer unklaren Umsetzbarkeit und Wirksamkeit der Kostenbremse-Initiative
Die Initiative gibt keine konkrete Stossrichtung der zu ergreifenden Massnahmen vor. Deshalb ist fraglich, inwiefern tatsächlich ein häufigeres, zielführendes Handeln von Bundesrat und Parlament erfolgen würde. Die Umsetzbarkeit und Wirksamkeit der Volksinitiative sind unklar. Zudem wären die Ziele der Initiative grundsätzlich auch mit Anpassungen auf Gesetzesstufe zu erreichen. Der offen formulierte Artikel 117 BV ermöglicht dem Bund bereits, kostendämpfende Massnahmen einzuführen. Eine zusätzliche Regelung zur Krankenversicherung auf Verfassungsebene ist somit obsolet. curafutura lehnt die Kostenbremse-Initiative zudem ab, weil die Gesundheitskosten nicht allein an die Entwicklung der Gesamtwirtschaft und an den Lohnindex gekoppelt werden können. Somit schliesst sich curafutura der Argumentation des Bundesrates an, dass diese Regelung viel zu starr ist. Das Verhältnis zwischen Krankenversicherungsprämien und Nominallohn ist nicht massgebend. Bei steigendem Wohlstand nimmt der Anteil in die Gesundheit investiertem Geld zu. Dieser soll nicht künstlich tief gehalten werden.
Der indirekte Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative weist zudem Doppelspurigkeiten mit einer anderen am 1. Januar 2024 in Kraft getretenen KVG-Revision auf: Gemäss Art. 47c KVG (vgl. Kostendämpfungspaket 1b) müssen Leistungserbringer und Versicherer ein Kostenmonitoring durchführen und bei nicht erklärbaren Mengen-, Volumen- und Kostenentwicklungen Korrekturmassnahmen vorsehen. Die im indirekten Vorschlag zur Kostenbremse-Initiative vorgesehene Eidgenössische Kommission wäre ebenfalls für ein Kosten- und Qualitätsmonitoring zuständig, würde aber lediglich Empfehlungen abgeben und hätte keine direkten Auswirkungen. Diese beiden Monitorings wären nicht aufeinander abgestimmt. Eine neue eidgenössische Kommission wäre zudem mit grossem Aufwand und hohen Kosten verbunden.
(2) Nein zur Gefährdung der Versorgungssicherheit
Die Initiative bedeutet einerseits die Abkehr vom regulierten Wettbewerb und andererseits die Einführung einer zentralisierten, kostenbasierten Steuerung des Gesundheitswesens durch den Bund. Dieser tiefgreifende Systemwechsel gefährdet die qualitativ hochstehende und innovative Gesundheitsversorgung. Die Kostenbremse-Initiative verstärkt durch eine künstliche Kostendeckelung den Kostendruck auf alle Leistungserbringer. Dadurch können auch notwendige Leistungen wegfallen, und nicht nur unnötige, so wie es die Vorhaben suggerieren. Der Kostendruck auf die Leistungserbringer birgt die Gefahr einer tieferen Behandlungsqualität durch Ärzte und Pflegepersonal (Unter- und Fehlversorgung). Eine tiefere Qualität führt zu vermehrten Komplikationen, welche wiederum zu längeren Spitalaufenthalten und damit zu höheren Gesundheitskosten führen. Je nach Umsetzung trifft dies auch auf den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates zu. Die Initiative und der indirekte Gegenvorschlag des Bundesrats gefährden somit die Versorgungssicherheit.
(3) Nein zur Rationierung medizinischer Leistungen
curafutura lehnt die Kostenbremse-Initiative ab, weil bei einer Kostenbremse auch andere Entwicklungen, wie bspw. den medizinischen Fortschritt oder die Alterung der Bevölkerung mitberücksichtigt werden muss. Die medizinisch und wirtschaftlich gerechtfertigten Kosten können durchaus stärker wachsen als die Löhne und die Preise. Wird die Initiative angenommen, könnte das zugelassene Prämienwachstum deutlich unterhalb des medizinisch und wirtschaftlich gerechtfertigten Kostenanstiegs liegen. Eine Kostendeckelung unterscheidet nicht zwischen notwendigen und unnötigen Leistungen. Daher besteht die Gefahr, dass auch medizinisch notwendige und wirtschaftlich sinnvolle Behandlungen aus fehlenden finanziellen Mitteln nicht mehr erfolgen können. Die Annahme der Initiative hätte damit eine Rationierung der Leistungen zur Folge und eine Zweiklassenmedizin droht.
Auch der indirekte Gegenvorschlag des Bundesrats kann zu einer Beschränkung der Leistungen führen, falls die Kostenziele erreicht sind. Die Kostenziele per se sind ein zu grobes Instrument, um die unnötigen und ineffizienten Leistungen zu eliminieren. Beispielsweise bedeutet die Tatsache, dass es in einem Bereich keine Kostensteigerung gibt, nicht zwangsläufig, dass dieser Bereich effizient ist. Wenn das Kostenziel in einem Bereich erreicht wird, können die möglichen Korrekturmassnahmen oder Tarifsenkungen alle Leistungen und Leistungserbringer in diesem Bereich und nicht nur die ineffizienten und unnötigen Leistungen betreffen. Da die Korrekturmassnahmen höchstens durch die dafür zuständige eidgenössische Kommission empfohlen würden, aber nicht automatisch erfolgen, ist der Nutzen von Kostenzielen im Verhältnis zum grossen bürokratischen Aufwand sehr gering. Top Down Kostenziele sind per se kein sinnvolles Instrument zur Kostendämpfung.
Erhalten Patienten und Patientinnen eine notwendige Behandlung nicht oder erst verspätet, können sich Krankheiten verschlimmern, was wiederum zu einer komplizierteren und länger andauernden Behandlung führt. Die Rationierung von medizinischen Leistungen führt auf Dauer zu einer Kostensteigerung.
(4) Nein zum leeren Versprechen der Kostendämpfung
Die Tarife und Preise der OKP-Leistungen sind seit Jahren relativ stabil. Auf der anderen Seite findet eine Mengenausweitung bei den medizinischen Leistungen statt, welche mit der demografischen Entwicklung, dem medizin-technischen Fortschritt, der Zunahme von Medikamenten sowie der höheren Anspruchshaltung der Bevölkerung bei Gesundheitsleistungen erklärt werden kann. Die Kostenentwicklung ist auf die Mengenentwicklung bei den medizinischen Leistungen zurückzuführen. Daher müssten die bestehenden Anreize zum Mengenwachstum korrigiert werden. Trotzdem fokussiert die Initiative und der indirekte Gegenvorschlag lediglich auf eine Kostendeckelung, welche den Kostendruck auf die Leistungserbringer verstärkt, ohne die Kosten zu senken. Im Gegenteil: Es wäre eine konsequente Zunahme bürokratischer Prozesse und Anforderungen zu erwarten, die das gesamte Gesundheitssystem weniger effizient machen und die Verwaltungskosten erhöhen. curafutura lehnt daher die Kostenbremse-Initiative und den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrats ab.
Es ist wichtig, die Gesundheitskosten nachhaltig einzudämmen. Dies wird mit den Reformen zur einheitlichen Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (EFAS), der Erneuerung der ambulanten Tarifstrukturen für ärztliche Leistungen (TARDOC) oder der Margenrevision bei den Medikamenten angestrebt. Neben der Umsetzung dieser Reformen unterstützt curafutura auch andere kostendämpfende Massnahmen. So setzt sich curafutura unter anderem für die integrierte Versorgung ein. Es ist unumstritten, dass die integrierte Versorgung nicht nur Behandlungsergebnisse verbessert, sondern auch die Gesundheitskosten dämpft. Ein weiterer Schwerpunkt von curafutura ist die Lockerung des Vertragszwangs. Gegenwärtig ist es den Versicherern nicht erlaubt, gewisse Leistungserbringer für ihre Verträge auszuwählen. Eine Lockerung des Vertragszwangs würde den Krankenversicherern ermöglichen, Verträge nur mit Leistungserbringern abzuschliessen, welche bspw. definierte Qualitätskriterien erfüllen. Dies würde den Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern erhöhen und wiederum zur Kostendämpfung beitragen. Die Digitalisierung und Transparenz im Gesundheitswesen sind weitere von curafutura unterstützte Reformen, mit dem Ziel, mehr Effizienz zu erlangen und so Kosten einzusparen.
Alle diese genannten Reformen tragen weitaus mehr zu einer Dämpfung der Gesundheitskosten bei als eine Kostenbremse-Initiative.