Ein weiteres Herzzentrum senkt die Behandlungsqualität und treibt die Kosten in die Höhe

Das Kantonsspital St. Gallen hat per Beschluss vom 5. März 2024 von den drei Kantonen Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden und St.Gallen je einen identischen Leistungsauftrag in Herzchirurgie erhalten. Dagegen wehren sich die beiden Krankenversichererverbände. Sie haben dementsprechend Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht. Ihr Ziel: Die Beschlüsse sollen aufgehoben werden. Ein weiteres Herzzentrum senkt die Fallzahlen, was sich negativ auf die Behandlungsqualität auswirkt und die Kosten zulasten der Versicherten in die Höhe treibt.

Als Vertretung ihrer Versicherten erwarten die Krankenversicherer von den Kantonen eine Spitalplanung mit Augenmass sowie die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der interkantonalen Koordination, Wirtschaftlichkeit sowie Qualität. Für die beiden Dachverbände curafutura und santésuisse ist daher unverständlich, dass das Kantonsspital St. Gallen neu den Auftrag erhalten soll, in sechs herzchirurgischen Leistungsgruppen tätig zu werden, obschon die Dichte an Herzzentren in der Schweiz bereits heute nahezu doppelt so hoch ist wie in den Nachbarländern. Bereits heute erreicht ein Teil der 16 bestehenden Herzzentren die von der Europäischen Gesellschaft für Herzchirurgie und Kardiologie empfohlene Mindestfallzahl nicht. Tiefe Fallzahlen führen in der Regel zu tieferer Behandlungsqualität. Für die Patientinnen und Patienten bedeutet das ein zusätzliches Risiko. Die beiden Krankenversichererverbände haben daher von ihrem neuen Recht (siehe Kasten) Gebrauch gemacht und beim Bundesverwaltungsgericht je Beschwerde eingereicht.

Neubeurteilung der Situation
Beide verlangen, dass dem Kantonsspital St. Gallen die am 5. März 2024 erteilten Leistungsaufträge im Bereich Herzchirurgie wieder entzogen werden oder das Bundesverwaltungsgericht den Entscheid zur Neubeurteilung aufgrund unvollständiger Sachverhaltsermittlung zurückweist.

Herzchirurgisches Angebot bereits vorhanden
Die Verbände begründen ihre Haltung mit dem bereits vorhandenen Angebot in der Herzchirurgie in der Ostschweiz und der Stadt Zürich. Die Regierungen von St.Gallen und beider Appenzell haben die Interessen der Spitalleitung stärker gewichtet als die Sorgen der Prämienzahlerinnen und -zahler, die den Leistungsausbau werden berappen müssen. Unverständlich ist der Entscheid insbesondere deshalb, weil Patientinnen und Patienten innerhalb einer maximal einstündigen Fahrzeit in den herzchirurgischen Abteilungen in der Herz-Neuro-Zentrum Bodensee AG, in der Klinik Hirslanden Zürich und in der Herzchirurgie am Universitätsspital Zürich/ Triemli behandelt werden können. Und die Regierungen trotzdem dem Kantonsspital St. Gallen diese Leistungsaufträge erteilt haben. Beide Verbände sind der Ansicht, dass die interkantonaleKoordination mit Blick auf die Eröffnung eines neuen Herzzentrums im Kantonsspital St. Gallen nicht im vom Krankenversicherungsgesetz geforderten Ausmass stattgefunden hat. Insbesondere der Schaffung neuer Kapazitäten sei nicht im vom Krankenversicherungsgesetz geforderten Ausmass Gewicht beigemessen worden. Das gelte auch für das Kriterium der Wirtschaftlichkeit. Es braucht keine weitere Kapazität in diesem Bereich, zumal diese erst aufgebaut werden muss – was zu zusätzlichen Kosten führt, sowohl wegen der Infrastruktur als auch wegen Fachkräftemangel und der Koordination, die von Zürich aus erfolgen soll. Weiter werden die herzchirurgischen Eingriffe den anderen Herzzentren fehlen, wodurch auch dort die Kosten steigen werden. Eine neue spezialisierte Herzchirurgie schmälere überdies die Qualität. Schon heute würden vielerorts die verlangten Mindestfallzahlen nicht erreicht.

Die Regierungen der drei Planungskantone sind im finalen Planungsbericht nur oberflächlich resp. gar nicht auf die Bedenken der Krankenversicherer eingegangen. Daher haben die beiden Verbände entschieden, hier erstmals und als klares Signal, von ihrem neuen Beschwerderecht Gebrauch zu machen und sich für die Versicherten einzusetzen.

Seit 1. Januar 2024 haben Organisationen der Krankenversicherer im Bereich der Spitalplanung gemäss Art. 53 Abs. 1bis KVG das Recht, Beschwerde einzureichen. Ziel ist, die Interessen ihrer Mitglieder vertreten zu können.

Die BVV 2.0 wurde an die neuen gesetzlichen Anforderungen angepasst und ebnet den Weg zu einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung

curafutura und santésuisse haben die Branchenvereinbarung Vermittler vor dem Hintergrund der jüngsten Gesetzesrevision weiterentwickelt, um auch in Zukunft die hohe Qualität der Beratung durch Vermittler sicherzustellen und gleichzeitig willkommene Beratung weiterhin zu ermöglichen. Diese revidierte Branchenvereinbarung Vermittler – BVV 2.0 – erfüllt die neuen gesetzlichen Anforderungen des Bundesgesetzes über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit, welches im Dezember 2022 vom Parlament verabschiedet wurde. Dank der neuen Vereinbarung, die per 1. September 2023 in Kraft gesetzt ist, soll die Allgemeinverbindlichkeitserklärung schon per 1. Januar 2024 beantragt werden können.

Die Branchenvereinbarung Vermittler (BVV) ist seit dem 1. Januar 2021 in Kraft. Sie verbietet die telefonische Kaltakquise, legt verbindliche Qualitätskriterien fest und setzt einen Rahmen für die Höhe der an Vermittler ausgerichteten Provisionen. Im Dezember 2022 hat das Parlament ein neues Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit verabschiedet. Dieses schafft die gesetzliche Grundlage, um beim Bundesrat ein Gesuch zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung einer gesetzeskonformen BVV zu stellen.

Um die bisherige BVV entsprechend dem Willen des Parlaments (Gleichstellung interne/externe Vermittler; Rolle der Aufsichtskommission) auf das neue Vermittlergesetz auszurichten, wurde sie von den Krankenversicherern zusammen mit den beiden Verbänden curafutura und santésuisse überarbeitet.

Vergütung geregelt

Die bisherige Obergrenze für Provisionen in der Grundversicherung (70 Franken pro Abschluss) gilt für alle Vermittler. In der Zusatzversicherung sieht die BVV 2.0 vor, dass die Provisionen wirtschaftlich sein müssen. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit muss von der Aufsichtsbehörde – d.h. der FINMA – überprüft werden können. Auf Grund der unterschiedlichen Geschäftsmodelle der Versicherer und arbeitsrechtlicher Probleme kann nur auf diese Weise die vom Gesetzgeber verlangte Gleichstellung zwischen internem Vertrieb und externen Vermittlern erreicht werden, nicht jedoch mit der bisherigen Lösung (12 Monatsprämien).

Qualitätsstandards und Verbot der Kaltakquise gelten weiterhin

Im Übrigen bleiben die Regeln in der BVV 2.0 unverändert. Das Verbot der telefonische Kaltakquise gilt weiterhin und von den Vermittlern werden hohe Qualitätsstandards verlangt. Dadurch werden unerwünschte Telefonanrufe eingedämmt und eine kompetente Beratung gefördert.

Rechtliche Sanktionen ersetzen konventionelle Sanktionen

Das neue Gesetz sieht straf- und aufsichtsrechtliche Sanktionen bei Nichteinhaltung der Vorschriften vor. Das Parlament hat also die seit mehreren Jahren gestützt auf die bisherige BVV tätige Aufsichtskommission, die befugt ist, Sanktionen zu verhängen, nicht berücksichtigt. Um eine Situation zu vermeiden, in der ein Verstoss von zwei verschiedenen Instanzen (Aufsichtskommission und staatliche Behörde) doppelt geahndet wird, wird in der BVV 2.0 die Rolle der Aufsichtskommission neu geregelt. Anstelle der Aufsichtskommission tritt neu eine Meldestelle, die Meldungen über mögliche Verstösse gegen die Branchenvereinbarung zentral entgegennimmt. Sie wird keine Sanktionen verhängen.

Inkrafttreten der BVV 2.0 und Gesuch auf Allgemeinverbindlichkeitserklärung

Das Ziel beider Verbände ist es, dass das Gesuch auf Allgemeinverbindlicherklärung so schnell wie möglich gestellt werden kann. Der frühestmögliche Termin, die Allgemeinverbindlichkeit der BVV 2.0 für alle Versicherer verpflichtend einzuführen, ist der 1. Januar 2024. Hierfür braucht es den Anschluss von mindestens 66 % der Versicherten an die BVV 2.0.

Die Krankenversicherer können per 1. September 2023 oder später der neuen Branchenvereinbarung beitreten.