Off-Label Use von Medikamenten: Immer mehr Krankenversicherer koordinieren sich

Bern/ , 15. Februar 2023

127 gemeinsame Studienratings im ersten Jahr der OLU-Plattform erstellt

Immer mehr Krankenversicherer koordinieren sich im Bereich Off-Label Use von Medikamenten dank einer Plattform, auf der gemeinsam Studienratings erarbeitet werden. Ein Jahr nach der Inbetriebnahme dieser Plattform zieht curafutura eine erfreuliche Bilanz. Zu den fünf Gründungsmitgliedern sind fünf weitere Versicherer dazugekommen; insgesamt vertreten die Mitglieder der OLU-Plattform heute 83% der Versicherten in der Schweiz. Bis jetzt sind 127 Studienratings erarbeitet worden. Diese unterstützen die Vertrauensärzte bei der Beurteilung von Kostengutsprachen für Medikamente, die nicht kassenpflichtig sind. Die Ärzte profitieren dabei von einer einheitlichen Grundlage für ihre Entscheide.

Immer mehr Versicherer gehen in die Offensive und schliessen sich einer innovativen Lösung im Bereich Off-Label Use von Medikamenten an. Diese hat zum Ziel, die Vertrauensärzte der angeschlossenen Versicherer bei der Beurteilung der Gesuche zu unterstützen. Das Positive: Die Plattform bietet breit abgestützte wissenschaftliche Studienbeurteilungen für die Bearbeitung von Gesuchen nach Art. 71 a-d KVV. Inzwischen haben sich neben den Vertrauensärzten von CSS, Helsana, Sanitas, KPT und SWICA auch jene von Concordia, Groupe Mutuel, Visana, Sympany und Atupri der Plattform angeschlossen. Die 10 Versicherer bringen es auf eine Versichertenabdeckung von 83 Prozent in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Und die Initianten der Plattform sind offen für weitere Versicherer, die sich der Plattform anschliessen möchten.  

Rating-Klassifizierung von A bis D

Start der Plattform für den Off-Label Use war vor einem Jahr. Inzwischen sind über 120 Studienratings auf der digitalen Plattform hinterlegt. Die wissenschaftlich fundierten und breit abgestützten Studienratings, die mit den Buchstaben A bis D versehen werden, wobei eine D Ablehnung bedeutet, unterstützen die Vertrauensärzte bei der Beurteilung von Einzelfallgesuchen für Medikamentenbehandlungen unter Berücksichtigung von Art. 71 a-d KVV.

Die Plattform enthält die publizierten klinischen Studien zu den Wirkstoffen mit der Nutzenbeurteilung und die entsprechende Dokumentation im klinischen Kontext. Die von den involvierten vertrauensärztlichen Diensten gewählte Methode sorgt dafür, dass die Beurteilung des klinischen Nutzens eines Wirkstoffs immer im gleichen Kontext steht und auf derselben wissenschaftlichen Basis bewertet ist. Die Studienlage ist damit ausgewogen und objektiv.

Gewinn für alle Akteure

«Insgesamt ist es eine Win-Win-Situation für alle Akteure», sagt curafutura-Direktor Pius Zängerle. Der Patient habe die Sicherheit, dass sein Einzelfallgesuch auf Basis gemeinsam erarbeiteter, koordinierter und wissenschaftlich fundierter Studienratings basiere. Die Arbeit des Vertrauensarztes sei befriedigender, weil das hinterlegte Wissen laufend ausgebaut werde und die Vertrauensärzte dadurch effizienter arbeiten könnten. Die Prämienzahlenden und die Patienten können darauf vertrauen, dass die Versicherer ihre Beurteilung auf der Basis wissenschaftlicher Grundlagen, unter Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen von Art. 71a-d KVV und unter Einbezug der Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit fällen.

Die Artikel 71 a-d KVV regeln die Vergütung von Arzneimitteln durch die Grundversicherung (OKP) für Off-Label-Therapien im Einzelfall. Der so genannte Off-Label Use soll in erster Linie den Zugang zu Arzneimitteln sicherstellen, die nicht zugelassen oder nicht auf der Spezialitä-tenliste (SL) aufgeführt und für folgende Behandlungen vorgesehen sind: schwere oder tödlich verlaufende Krankheiten und chronische gesundheitliche Beeinträchtigungen. Es handelt sich um Arzneimittel, die in folgenden Fällen von der OKP vergütet werden:

• Auf der SL aufgeführt, der Einsatz des Arzneimittels ist jedoch ausserhalb der von Swiss-medic genehmigten Fachinformation.
• Nicht in die SL aufgenommen, aber von Swissmedic zugelassen.
• Von Swissmedic nicht zugelassen, aber aus einem Land mit einem von Swissmedic als gleichwertig anerkannten Zulassungssystem importiert und dort für die entsprechende Indikation zugelassen.

Die auf der Plattform der Versicherer abgelegten Studienratings beinhalten die Beurteilung über ein bestimmtes Medikament, das im Bereich Off-Label Use zum Einsatz kommen muss. Die Beurteilung wird mit den Buchstaben A bis D angegeben, wobei D Ablehnung bedeutet.

In den letzten Jahren haben immer mehr Patientinnen und Patienten von der Möglichkeit des Einsatzes im Off-Label Use profitiert, vor allem im Bereich von Krebstherapien. 2019 wurden 38’000 Gesuche behandelt. Für 2022 wird die Anzahl Gesuche auf 50’000 geschätzt. In den letzten Jahren wurden 80 Prozent aller Gesuche bewilligt, ungefähr 20 Prozent wurden abgelehnt.

Die Vertrauensärzte kommen aus unterschiedlichen Fachgebieten. Ihr Auftrag ist es, unvoreingenommen, neutral und auf Basis von Artikel 71 a-d KVV sowie unter Beizug der Studien-ratings ihre Beurteilung vorzunehmen. Sie geben ihre Empfehlung ihrem Versicherer weiter. Der einzelne Fall wird im Detail beurteilt. Es stellen sich Fragen wie: Sind die Voraussetzungen erfüllt? Wie sieht die Studienpopulation aus? Was waren Vorbehandlungen des Patienten oder der Patientin und bestehen Chancen auf einen bedeutenden Therapieerfolg (Grundlage Studienrating).