Revision des Arzttarifs: Kostenneutralität als entscheidender Faktor
Bern/ , 26. Mai 2023Gleicher Massstab für Einzelleistungstarif und Pauschalen?
Wie ist es dazu gekommen? Zum grössten Teil aufgrund des politischen Drucks. Aus Sorge über die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen haben der Bundesrat und das EDI, aber auch das Parlament die Kostenneutralität zum Alpha und Omega dieser Tarifrevision gemacht.
Diese Fokussierung ist nachvollziehbar.
Einerseits ist der TARMED mit einem jährlichen Leistungsvolumen von 12 Milliarden Franken und damit einem Drittel der Kosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung OKP nebst dem Spitaltarif (stationär) der bei weitem grösste Tarif im Gesundheitssystem. Da es sich damit um einen «systemrelevanten» Tarif handelt, möchte man bei einer Änderung solide Garantien haben; viele sorgen sich, mit dem Schritt einer Revision den Zauberlehrling zu spielen.
Andererseits gibt es eine Akzentuierung auf das Thema. Während derzeit verschiedene Ideen im Umlauf sind, die sich mit Kostenplanung befassen (Kostensteuerung und Kostenziele; Kostenbremse-Initiative), werden deren Befürworter natürlich von der Aussicht auf eine kostenneutrale Einführungsphase des neuen Arzttarifs verführt. Die Kostenneutralität bringt nämlich per Definition eine gewisse Vorhersehbarkeit der Kostenentwicklung mit sich, die eigentlich von Volatilität geprägt ist. Dieses Bedürfnis nach Sicherheit zeigt sich auch in den Forderungen des Bundesrates, der die Tarifpartner FMH, curafutura und SWICA aufgefordert hat, den Korridor des TARDOC-Kostenneutralitätskonzepts enger zu fassen. Das haben wir gemacht. Die Obergrenze des Korridors für die Kostenentwicklung wurde von ursprünglich +3 % pro Jahr auf +2 % gesenkt.
Kostenneutralität muss überall mit dem gleichen Massstab beurteilt werden
Die Hartnäckigkeit – manche würden sagen Strenge – des Bundesrates in der Frage der Kostenneutralität des TARDOC findet sich auch in den Forderungen an die ambulanten Pauschalen wieder.
In diesem Sinne begrüssen wir die Erklärungen des EDI und des BAG, wonach das Kriterium der Kostenneutralität für alle gleichermassen gilt. Das Wiederholen dieser Forderung mag Aussenstehenden unnötig erscheinen, ist aber angesichts der jüngsten Erklärungen von H+ vermutlich nicht überflüssig. Der Dachverband der Spitäler äusserte sich in einem Newsletter etwas gar leichtfertig, liess aber tief blicken: „Wenn beide Tarifstrukturen gleichzeitig eingereicht und genehmigt werden, entfällt die Phase der dynamischen Kostenneutralität.“ Dies ist natürlich nicht der Fall. Sowohl der TARDOC als auch ambulante Pauschalen müssen eine statische und eine dynamische Kostenneutralität gewährleisten. Beim TARDOC wird diese Phase mindestens drei Jahre dauern.
Finden die Spitäler den Mittelweg?
Wir erwarten daher mit Interesse die Vorlage des endgültigen Konzepts der Kostenneutralität für die ambulanten Pauschalen. Die Spitäler werden sich auf ein verbindliches Konzept einigen müssen, das weit hinter ihren Forderungen nach einer allgemeinen Tariferhöhung von 5% zurückbleibt. Hinzu kommt die Erwartung der Universitätsspitäler, dass die Lösung ihrer Probleme in einer deutlichen Erhöhung des Tarifs, also nicht in einer Steigerung der Effizienz zu finden ist.
Bald werden wir mehr wissen. Denn die im Rahmen der Organisation Ambulante Arzttarife (OAAT) festgelegte Frist für die Abgabe von TARDOC und der ambulanten Pauschalen, der 30. Juni 2023, naht. Das ist eine gute Nachricht. Jeder Schritt in Richtung Revision des Arzttarifs kann nicht schnell genug kommen.
Das realisieren wir immer wieder dann, wenn wir mit Haus- und Kinderärzten reden, von nicht sachgerechten Tarifen in der Grundversorgung hören. Oder wenn wir uns mit Psychiatern austauschen. Oder wenn man über Unter- und Übertarifierung spricht und die gravierenden Auswirkungen veralteter Tarife auf die Versorgung bzw. die daraus entstandene Fehlversorgung sieht.