Viel positive Dynamik beim Off-Label-Use

Bern/ , 23. Juni 2022

Die Mitglieder von curafutura und SWICA haben eine Plattform entwickelt, die sie bei der Beurteilung der Einzelfallüberprüfung im Bereich Off-Label-Use unterstützt. Die Rückmeldung verschiedener Akteure aus der Gesundheitsbranche sind positiv. Bereits haben sich weitere grosse Versicherer der Plattform angeschlossen. Thomas Cerny, Vorstandsmitglieder der Krebsliga, bezeichnet die Entwicklung als Schritt in eine gute Richtung für die Versicherten. Die Akteure sind überzeugt von diesem Arbeitsinstrument, das das Potential hat, breit zur Anwendung zu kommen.

Gute Arbeitsinstrumente stossen in der Regel schnell auf Interesse. So geschehen bei der neuen Plattform «Smart-Rating», die im Auftrag von curafutura mit ihren Mitgliedern CSS, Helsana, Sanitas und KPT sowie SWICA im Off-Label-Use-Bereich erstellt wurde. Die Plattform stösst seitens verschiedener Akteure der Gesundheitsbranche auf viel Lob. Einer, der die Herausforderungen beim Off-Label-Use als Arzt kennt, ist Thomas Cerny, Vorstandmitglied der Krebsliga und Vizepräsident von OncoSuisse.  Er sagt: «Diese Plattform erleichtert den Vertrauensärzten der rund 60 Versicherer den klinischen Nutzen eines neuen Wirkstoffs noch besser abschätzen zu können.»

Onkologe Cerny: «Schneller eine Antwort»
Für ihn als Onkologe ist es wichtig, dass der Patient weiss: Die Gleichbehandlung jedes Gesuches ist jederzeit gewährleistet. Dank der neuen Plattform im Off-Label-Use «erhöhen die Versicherer die Chance, dass der Patient viel schneller eine Antwort erhält, ob das für ihn wichtige Medikament von seiner Versicherung bezahlt wird – ein Schritt in die richtige Richtung».

«Diese Plattform erleichtert den Vertrauensärzten der rund 60 Versicherer den klinischen Nutzen eines neuen Wirkstoffs noch besser abschätzen zu können.»
THOMAS CERNY, VORSTANDSMITGLIED DER KREBSLIGA

Regelmässiger Austausch

Einmal pro Woche beugen sich die Vertrauensärzte der mitwirkenden Versicherer über den Inhalt und tauschen sich aus. Die Dokumente enthalten keine persönlichen Daten, die heikel sein könnten; daher ist der Datenschutz jederzeit gewährleistet. Auf der Plattform sind wichtige Informationen über den klinischen Nutzen eines Wirkstoffs im gleichen klinischen Kontext gespeichert, die die Ärzte zur Beurteilung beiziehen. Weil es sich um eine Plattform für Fachinformationen handelt, ist diese auch nicht öffentlich. Stellvertretend für die an die Plattform angeschlossenen Versicherer sagt Vertrauensarzt Beat Kipfer von der KPT: «Die Arbeit ist für uns insgesamt befriedigender, weil wir unser Wissen laufend ausbauen und effizienter arbeiten können.»

Gegründet haben die Plattform die Versicherer von curafutura (CSS, Helsana, Sanitas und KPT) sowie SWICA. Sie – wie alle anderen Versicherer – bekamen in der Vergangenheit immer wieder zu hören, die Einzelfallbeurteilungen fielen zu wenig einheitlich aus. Schlagzeilen in Medien verfestigten teilweise diesen Eindruck. Zumal ein vom BAG in Auftrag gegebener Monitoringbericht auf Optimierungspotential im Bereich des Off-Label-Use hinwies.

Neu dabei auch Visana und Concordia

Die jetzige Lösung ist einfach, zweckmässig und befriedigend. Das zeigen die Rückmeldungen der Vertrauensärzte nach fünf Monaten Arbeit mit dem Tool, wobei vor allem neue Wirkstoffe und Anwendungen bei Indikationen mit noch unbefriedigenden Behandlungsresultaten beurteilt wurden. Die positive Entwicklung ist auf Interesse weiterer Versicherer gestossen. Zwei davon, Visana und Concordia, haben sich der Plattform bereits angeschlossen. Weitere dürften folgen. Das Interesse jedenfalls ist vorhanden. «Die Dynamik ist positiv. Versicherer erkennen das Bemühen, die Situation insgesamt noch einmal zu verbessern, da die Ratings für alle einsehbar sind und man sich darüber austauscht. Und je mehr Studienratings abgelegt sind, umso besser lässt sich mit der Plattform arbeiten», sagt Pius Zängerle, Direktor von curafutura. Aktuell sind bereits 90 Ratings dokumentiert.

Thomas Cerny könnte sich vorstellen, dass jene Versicherer, die nicht mit der Plattform arbeiten wollen, begründen müssen, warum sie den Alleingang bevorzugen. Nach Ansicht von curafutura-Direktor Pius Zängerle hat die Plattform in jedem Fall das Potential, bei allen Versicherern zur Anwendung zu kommen. Ziel sei es, möglichst viele Akteure auf die Plattform zu bringen. „Es ist eine Win-Win-Situation für die Patientinnen und Patienten und somit auch für die Versicherten.»

Heute vergüten die Krankenversicherer im Rahmen von Einzelfallbeurteilungen unter gewissen Voraussetzungen auch Arzneimittel, die nicht auf der Liste der über 3200 kassenpflichtigen Medikamente stehen oder ausserhalb der zugelassenen Indikationen eingesetzt werden. Der behandelnde Arzt kann ein entsprechendes Gesuch bei der Versicherung des Patienten stellen. Sind die gesetzlichen Bedingungen (Art. 71 a-d KVV) erfüllt, werden die Kosten aus der Grundversicherung von der Krankenversicherung übernommen. In den letzten Jahren haben immer mehr Patientinnen und Patienten von dieser Möglichkeit profitiert, zum Beispiel bei neuen Krebstherapien. 2019 wurden 38’000 Gesuche behandelt; rund 80 Prozent werden bewilligt. Zu den Kriterien gehören: Es handelt sich um eine lebensbedrohliche oder stark invalidisierende Krankheit mit fehlender Behandlungsmöglichkeit. Mit der Behandlung durch den Wirkstoff kann für den Patienten ein hoher Nutzen erwartet werden. Die Behandlung ist wirtschaftlich, das heisst es besteht ein angemessenes Kosten-Nutzenverhältnis.

Auch das BAG hat den Off-Label-Use auf dem Radar – unter anderem will Bund will mit einer Aktualisierung der Verordnungen zur Einzelfallbeurteilung gewisse Optimierungen vornehmen.