Werbeverbot in der Krankenversicherung: Der Deckmantel derer, die den Wettbewerb abschaffen wollen
6. März 2024Es ist eines der Lieblingsthemen für Polemiker: Die Werbung in der Krankenversicherung. Sie ist am 23. Februar 2024 in den Mittelpunkt der Debatten gerückt, als sich die Gesundheitskommission des Nationalrats knapp für ein Verbot in der Grundversicherung aussprach. Warum dieser brutale Angriff auf einen Bereich, der nur 0,2 % der Kosten der OKP ausmacht, d. h. weniger als 1 Franken pro Versicherten und Monat? Weil Werbung ein Symbol ist. Denn Werbung beweist, dass der Wettbewerb in der Grundversicherung voll funktioniert.
Die parlamentarische Initiative Hurni 22.497, die sehr knapp von der SGK-N unterstützt wurde (12 zu 12 Stimmen, mit Stichentscheid der Präsidentin), ist eine altbekannte Versuchung, nämlich der Verteufelung und Verbannung der Werbung aus der Krankenversicherung. Der eingereichte Text gibt sich sehr empört: Stellen Sie sich vor, die Krankenversicherer haben die Frechheit, eine der grundlegendsten Funktionen des Unternehmens zu nutzen, nämlich das Marketing. Ehrlich gesagt, sie übertreiben. Warum ist es für sie so wichtig, sich um den Verkauf ihrer Produkte zu kümmern?
Welche Argumente werden in Ergänzung zur Rhetorik verwendet, um ein Werbeverbot zu rechtfertigen? Und sind sie stichhaltig? Die Antwort lautet natürlich nein. Aber nehmen wir sie der Reihe nach. Erstens wird in der parlamentarischen Initiative behauptet, dass Werbung nichts nützt, weil die Grundversicherung obligatorisch ist. Gemäss dieser Logik können Migros und Coop ihre Fernsehspots abschaffen und ihre Plakate abhängen. Wir alle müssen nämlich essen, um zu leben, und es hat keinen Sinn, uns davon zu überzeugen, dass wir uns ernähren müssen. Nein, das Ziel ist ein anderes: Es geht nicht darum, einen Kunden davon zu überzeugen, das Produkt zu kaufen, anstatt es nicht zu kaufen, sondern darum, ihn davon zu überzeugen, das Produkt eines Unternehmens zu kaufen, anstatt dasjenige einer anderen Firma. Dasselbe gilt für Kleider- oder Schuhmarken, deren Werbung nicht darauf abzielt, den potenziellen Kunden davon zu überzeugen, nicht nackt herumzulaufen.
Zweites Argument: Ein Werbeverbot würde zu Einsparungen führen. In Wirklichkeit macht die Werbung nur 0,2% der Kosten der Grundversicherung (OKP) aus, was weniger als einem Franken pro Monat und Versicherten entspricht. Der Versicherte würde den Unterschied also nicht bemerken, würde die Werbung gestrichen. Oder doch, er würde ihn sehen, aber auf negative Weise. Denn Werbung ist keine Ausgabe, die zusätzlich zu anderen Ausgaben anfällt und die man ohne Konsequenzen kürzen kann. Die Ausgaben für Marketing sind das Öl, das den Marktmotor am Laufen hält. Sie zu kürzen bedeutet, die Wettbewerbsintensität zu verringern und die damit verbundenen Vorteile zu verlieren, wie z. B. den Anreiz für Unternehmen, so effizient wie möglich zu arbeiten und Innovation voranzubringen.
Schliesslich behauptet die parlamentarische Initiative, dass das Marketing keine Elemente zur Prävention enthält. Das ist schlichtweg falsch. Mittels der verschiedenen Kommunikationsmittel sprechen die Krankenversicherer häufig unterschiedliche Themen der öffentlichen Gesundheit an, sei es ein TV-Spot zur psychischen Gesundheit oder ein Kundenmagazin mit Informationen zur Krebsvorsorge, oder Plakate über gesunde Ernährung und körperliche Aktivität.
Trojanisches Pferd für die Einheitskasse
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Werbeverbot in der Krankenversicherung alles andere als anekdotisch wäre. Es würde das System des «regulierten Wettbewerbs» untergraben, wo offenkundig der Wettbewerb ein konstituierender Bestandteil ist. Diese Massnahme ist in Wirklichkeit sogar ein trojanisches Pferd für die Befürworter einer staatlichen Einheitskasse.
Die Strategie ist einfach: Schritt für Schritt sollen die Möglichkeiten der Krankenversicherer für Wettbewerb und Differenzierung eingeschränkt werden. Dann, wenn alles bis ins kleinste Detail reguliert ist, wird die Einführung eines Monopols gefordert, weil der Wettbewerb nicht mehr stark genug ist und somit seine Daseinsberechtigung verloren hat.
Dies geschieht in einem globaleren Kontext einer manchmal starken und dogmatischen Feindseligkeit gegenüber dem Wettbewerb. Wie zum Beispiel die jüngste Entscheidung des Berner Stadtrats, Werbeplakate im öffentlichen Raum zu verbieten.
Aus unserer Sicht ist es umso wichtiger, die Werbung in der Krankenversicherung zu verteidigen. Sie ist das sichtbarste Symbol, aber auch der Garant für die Tugenden des Wettbewerbs: Effizienz, Innovation, Angebotsvielfalt. Und solange man diesen Wettbewerb im Gesundheitssystem und demnach auch in der Krankenversicherung ernst nimmt, gibt es keinen Grund, die Werbung abzuschaffen. Genauso wenig wie es einen Grund gibt, Werbung im Einzelhandel oder in anderen Lebensbereichen grundsätzlich zu verbieten.