Nach sieben Jahren Entwicklungsarbeit der Tarifpartner curafutura (seit 2015), FMH, H+ (bis 2018) und MTK wurde im Sommer 2019 die revidierte Arzttarifstruktur für ambulante ärztliche Leistungen, TARDOC, fertiggestellt. Zur neuen Tarifstruktur gehören unter anderem neu konzipierte Anwendungs- und Abrechnungsregeln sowie Konzepte zur Anerkennung der Abrechnungsberechtigung.
Das Ergebnis der Revisionsarbeiten umfasst die Tarifstruktur TARDOC, eine komplette, bezüglich Leistungsinhalten und Tarifierungsmodellparametern, aktualisierte und sachgerechte Einzelleistungstarifstruktur. Darüber hinaus gründeten die Tarifpartner 2016 die Tariforganisation ats-tms AG, welche die Revisionsarbeiten vorantrieb. Die TARDOC-Tarifpartner einigten sich auch über die Modalitäten der zukünftigen Zusammenarbeit und Aufgaben der Geschäftsstelle, die Vorgaben für die kontinuierliche Tarifpflege und das Monitoring. Der Verwaltungsrat der ats-tms AG fasst Beschlüsse im Mehrheitsverfahren. Somit sind beste Voraussetzungen geschaffen, dass eine zielgerichtete Weiterentwicklung des TARDOC nach dessen Einführung gewährleistet ist.
Die FMH und curafutura reichten die Tarifstruktur TARDOC mit dem zugehörigen Tarifstrukturvertrag KVG am 12. Juli 2019 beim Bundesrat zur Genehmigung ein. Seither erfolgten drei Nachreichungen zum hängigen Genehmigungsgesuch:
Am 25. Juni 2020 erfolgte eine erste Nachreichung. Wesentliche Elemente der Nachreichung waren die Einigung von curafutura und FMH auf ein gemeinsames Konzept zur kostenneutralen Einführung der der Tarifstruktur TARDOC sowie der Beitritt des Krankenversicherers Swica zum TARDOC-Vertrag verbunden mit dem Beschluss der künftigen Mitwirkung. Damit wurde die geforderte Mehrheit (51 Prozent) seitens Kostenträger erreicht.
Am 30. März 2021 erfolgte eine zweite Nachreichung. Mit dieser Nachreichung von Zusatzinformationen und Anpassungen (insbesondere Ausweitung der Garantie der Kostenneutralität auf zwei Jahre) erfüllten curafutura und FMH alle vom BAG im Rahmen eines Prüfberichts gestellten Anpassungsempfehlungen. Bereits mit dieser Nachreichung war der Weg für eine Genehmigung frei.
Am 21. Dezember 2021 erfolgte die dritte Nachreichung von curafutura und FMH mit weiteren Verbesserungen sowie Aktualisierungen der Datengrundlagen mit Daten aller Leistungerbringer. Der Bundesrat hatte am 30. Juni 2021 alle Tarifpartner aufgefordert, gemeinsam eine verbesserte Version des TARDOC bis Ende 2022 zu erarbeiten und nachzureichen. H+ und santésuisse schlossen sich der Nachreichung trotz intensiver Bestrebungen seitens curafutura und FMH nicht an.
Gem. Art. 59c Abs. 1 lit. c KVV darf ein Wechsel des Tarifmodells keine Mehrkosten verursachen. Die TARDOC-Tarifpartner curafutura und FMH haben daher ein gemeinsames Konzept betreffend die kostenneutrale Überführung von TARMED zu TARDOC verhandelt.
Folgende zentralen Elemente kennzeichnen das Kostenneutralitätskonzept TARDOC V1.3 (Version der Nachreichung vom 20. Dezember 2021 zu Handen des Bundesrats):
GrundsatzTrennung von Struktur und Preis
Die Tarifpartner pflegen in einer gemeinsamen Organisation auf nationaler Ebene die Tarifstruktur, die die Tarifpositionen mit ihrem relativen Gewicht enthält (Taxpunkte). Die Vereinbarung der Taxpunktwerte (Preis) obliegt den Einkaufs- und Ärztegesellschaften. Beim Tarifübergang sind folglich auch die Kantone als Genehmigungs- und Festsetzungsbehörde in der Pflicht, für den Teil Preis die Kostenneutralität zu gewährleisten.
Ex-ante Sicherstellen der taxpunktvolumen-neutralen Überführung via Abschlagsfaktor
Mittels eines Modellvergleichs von TARMED und TARDOC V1.3 haben wurde geschätzt, welche Taxpunktvolumenveränderungen zu erwarten sind. Auf dieser Basis wurde der sog. External Factor (EF) bestimmt, welcher das TARDOC- gegenüber dem TARMED-Volumen konstant hält. Der errechnete EF liegt bei 0.82 (verhandelter Wert: 0.83). Jede Tarifposition wird mit diesem EF-Wert gekürzt. Der EF ist als integraler Bestandteil der Tarifstruktur im Anhang zum Grundvertrag TARDOC vereinbart.
Ex-post Sicherstellen der taxpunktvolumen-neutralen Überführung:
Aufgrund der Forderungen des Bundesrates wurde die KN-Phase auf drei Jahre verlängert. Bisherige Tarifstrukturen sahen max. zweijährige Monitoringphasen vor, wie z.B. der vom BR genehmigte und auf 2022 eingeführte Rehabilitationstarif ST-Reha.
Die auf den geplanten Einführungstermin (1.1.2023) folgenden drei Jahre (2023, 2024, 2025) werden somit bis Mitte 2026 eng monitoriert.
Referenzmassstab für das TARDOC-Volumen ist das effektive TARMED-Volumen des letzten Jahres vor Einführung des TARDOC (2022). Auf dieses wird ein enger Korridor der zulässigen Wachstumsrate angewendet (vgl. Abbildung 1; jährlich +1% mit einem Korridor von +/-2%, d.h. obere Interventionsgrenze: +3%, +6%, +9% in den Jahren 2023, 2024 und 2025 gegenüber 2022; untere Interventionsgrenze: -1%. -2%, -3%). Zum Vergleich: Das TARMED-Volumen stieg zwischen 2015 und 2019 um durchschnittlich 3.0% pro Jahr, trotz Tarifeingriff vom 1.1.2018.
Mit der global über das Taxpunktvolumen festgelegten Wachstumsrate sind die gleichzeitig wirkenden allgemeinen Effekte aus medizinischer, medizin-technischer, sozio-demografischer und politischer Entwicklung beinhaltet.
Sofern das TARDOC-Volumen trotz EF in der Monitoring-Phase aus dem Korridor herausläuft, unternimmt die Monitoring-Kommission Massnahmen, um das Volumen zurück in den Zielbereich zu steuern. Es können Anpassungen an einzelnen Leistungspositionen, an Kapiteln oder am EF vorgenommen werden («Korrektur dort, wo der Handlungsbedarf am grössten ist»).
Realisiertes Fehlvolumen bzw. überschüssiges Volumen wird nach der Monitoringphase (2027) einmalig durch einen temporär höheren/tieferen EF ausgeglichen.
Bei notwendiger Korrektur und massgeblicher Unterscheidung der Wachstumsraten im spital- und praxisambulanten Bereich können die Ausgleichszahlungen (2027) sektoriell divergieren.
Nach Abschluss der Monitoring- und Kompensationsphase kommt ein definitiver, weiterhin einheitlicher EF zur Anwendung.
Langfristiges Monitoring
Es ist vereinbart, die Leistungsvolumenentwicklung auch nach der Kostenneutralitätsphase weiter zu monitorieren. Diesbezügliche Mechanismen und Prozesse sind im Tarifierungshandbuch festgehalten.
Abbildung 1: Schematische Darstellung der hergeleiteten Taxpunktvolumen 2023, 2024 und 2025, inkl. Toleranz-Korridor
curafutura, die FMH und die MTK (zuständig für UV, IV, MV) haben tarifpartnerschaftlich die Tarifstruktur TARDOC erarbeitet. Am 12. Juli 2019 wurde diese dem Bundesrat zur Genehmigung eingereicht. Im Mai 2020 ist Swica dem TARDOC beigetreten und wirkt am TARDOC mit; damit wurde die geforderte Mehrheit seitens Kostenträger erreicht. 2020 und 2021 haben curafutura und FMH drei Nachreichungen vorgenommen. In der Version 1.3 sind die wesentlichen Anpassungsempfehlungen des BAG-Prüfberichts umgesetzt, inkl. weiterer Aktualisierungen, Vereinfachungen und Verbesserungen:
Der TARDOC beinhaltet viele massgebliche Erneuerungen und Vorteile gegenüber dem Tarmed, die zu einer deutlichen Erhöhung der Sachgerechtigkeitbeitragen:
Abbildung des heute relevanten ärztlichen Leistungsspektrums
Der TARDOC bildet das gesamte ambulante ärztliche Leistungsspektrum ab, praxis- und spitalambulant. Die Aktualisierung umfasst die Bereinigung von Unnötigem, die Aufnahme von neuen medizinischen und technischen Verfahren sowie die adäquate Abbildung der hausärztlichen Tätigkeit.
Verbesserte Übersichtlichkeit und Transparenz Umfassende Neustrukturierung des Leistungskatalogs und Straffung von 4’500 auf 2’630 Tarifziffern.
Aktualisierte Parameter des Tarifierungsmodells
Die Berechnung der Taxpunkte basiert auf einer Vielzahl von Parametern. Wo verfügbar wurden aktuelle Daten herangezogen (z.B. verfügbare Lohn-Statistiken, Kostenerhebungen). Sind keine verwertbaren Daten verfügbar, wurden notwendige Annahmen auf Basis des heutigen Wissensstands getroffen.
Aktualisierung der Anwendungs- und Abrechnungsregeln der Tarifstruktur
Der TARDOC umfasst auf allen Ebenen der Tarifstruktur von den Tarifpartnern gemeinsam entwickelte Anwendungs- und Abrechnungsregeln. Das Regelwerk stellt eine einheitliche Anwendung sicher, setzt Anreize für die effiziente Leistungserbringung und beugt missbräuchlicher Abrechnung vor.
Grundvertrag KVG Das Vertragswerk für den Geltungsbereich im KVG wurde neu konzipiert. Anhänge beinhalten die Vorgaben bezüglich Abrechnungsberechtigung (Sparten und Dignitäten) sowie für die Rechnungsstellung. Die Vereinbarung ist so konzipiert, dass sich alle Tarifpartner anschliessen können.
Tariforganisation ats-tms AG mit Geschäftsstelle
Die ats-tms AG ist seit 2016 operativ und leistete einen massgeblichen Beitrag an der Entwicklung des TARDOC. Die ats-tms verfügt über die notwendigen personellen und infrastrukturellen Ressourcen für die Einführung, den Betrieb und die Weiterentwicklung des TARDOC.
Vereinbarte Revisionsprozesse Damit der TARDOC als lernendes System weiterentwickelt wird, sind die notwendigen Instanzen, Regeln und Prozesse für die kontinuierliche Weiterentwicklung der Tarifstruktur TARDOC vereinbart.
Digitalisierungsschritt Die fertiggestellte Fachapplikation LegiData wird den Versicherern erlauben, ihre Rechnungsprüfung noch stärker zu automatisieren. Dies stärkt die Qualität und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen.
Genehmigungsgesuch und weiteres Vorgehen – Tür ist weiterhin offen Das BAG kommt in seinem Prüfbericht von Ende 2020 zum Schluss, dass der TARDOC mit Anpassungen materiell genehmigungsfähig ist. Die TARDOC-Tarifpartner haben die realisierbaren Anpassungen im März und Dezember 2021 nachgereicht und stellen konzeptionell und vertraglich die Kostenneutralität während der Einführungsphase (3 Jahre) sicher. Ziel ist die Einführung des TARDOC per 1. Januar 2023. Die Anpassungen wurden unter regelmässigem Einbezug von H+ und santésuisse vorgenommen. Bis Ende 2021 hat sich noch kein weiterer Beitritt zum TARDOC abgezeichnet.