Der Tarmed ist seit 2004 in Kraft. Der Tarif wurde nicht gepflegt, sodass er längst veraltet ist und den Stand der ambulanten ärztlichen Leistungserbringung nicht mehr abbildet. Aufgrund dieses Stillstands machte der Bundesrat insbesondere 2018 von seiner Kompetenz Gebrauch, subsidiär einzu-greifen und setzte Anpassungen am Tarmed mittels Verordnung durch. Der Eingriff entfaltete eine kostendämpfende Wirkung und war zugleich ein Warnschuss an die Tarifpartner, den Revisionsauftrag ernst zu nehmen.
2022 wurden über den Tarmed CHF 12.7 Mia.[1] Bruttoleistungen abgerechnet, davon 63 % praxis-ambulant und 37 % spitalambulant. Im Vergleich zum Vorjahr 2021 stiegen die Bruttoleistungen ins-gesamt um +4.4 %. Seit 2016 beträgt das jährliche Wachstum der Bruttoleistungen +3.7 % (Praxis +3.5 % / Spital +3.9 %)
Die ehemalige Tariforganistion des Tarmed, die einfache Gesellschaft TARMED Suisse, wurde im Herbst 2019 liquidiert. Der Rahmenvertrag Tarmed besteht aktuell nur noch zwischen FMH und santésuisse. Um dennoch einen koordinierten und einvernehmlichen Betrieb des Tarmed sicherzustellen, wurden per 2019 die notwendigen Paritätischen Kommissionen auf eine neue vertragliche Basis aller fünf Tarifpartner (curafutura, FMH, H+, MTK/ZMT und santésuisse) gestellt.
Nach sieben Jahren Entwicklungsarbeit der Tarifpartner curafutura (seit 2015), FMH, H+ (bis 2018) und MTK wurde im Sommer 2019 die revidierte Arzttarifstruktur für ambulante ärztliche Leistungen, TARDOC, fertiggestellt.
Das Ergebnis der Revisionsarbeiten umfasst die Tarifstruktur TARDOC, eine komplette, bezüglich Leistungsinhalten und Tarifierungsmodellparametern, aktualisierte und sachgerechte Einzelleistungs-tarifstruktur. Zudem wurden Instrumente für die Tarif-Pflege und die Anerkennung von Leistungs-erbringern geschaffen. Die genehmigungsreife Lösung umfasst zudem ein Kostenneutralitätskonzept (gemäss Art. 59c Abs. 1 lit. c KVV darf Wechsel des Tarifsystems keine Mehrkosten verursachen), ein Konzept des langfristigen Monitorings sowie Vorgaben der kontinuierlichen Tarifpflege. Die Arbeiten wurden von der 2016 gegründeten Tariforganisation ats-tms AG vorangetrieben. Damit wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass eine zielgerichtete Weiterentwicklung des TARDOC nach dessen Einführung gewährleistet ist, vormals durch die ats-tms AG und heute durch die Tariforganisation aller Tarifpartner, die OAAT AG.
Die FMH und curafutura reichten die Tarifstruktur TARDOC mit dem zugehörigen Tarifstrukturvertrag KVG beim Bundesrat am 12. Juli 2019 erstmals zur Genehmigung ein. Seither erfolgten vier Nachreichungen zum hängigen Genehmigungsgesuch:
Fazit: Eine vollständige Ablösung des TARMED durch den TARDOC ist per 1. Januar 2025 möglich und wird im Genehmigungsgesuch gefordert.
H+ und santésuisse haben gemeinsam eine Tarifstruktur mit ambulanten ärztlichen Pauschalen entwickelt. Die Entwicklung lehnt sich eng an das Konzept der SwissDRG an, basiert auf Kosten- und Leistungsdaten der Spitäler und zielt darauf, den Einzelleistungstarif in ressourcen-intensiven Sparten abzulösen. Die ca. 450 ambulanten ärztlichen Pauschalen der Version 1.0 bilden, komplementär mit Tarifpositionen des TARDOC, das Spektrum von ambulant erbrachten ärztlichen Leistungen ab.
Die Zwischenergebnisse der Entwicklung wurden dem BAG wiederholt zur Vorprüfung vorgelegt. Insbesondere in einem Schreiben vom 19. Juni 2023 hat das BAG die zentralen Vorgaben in Bezug auf ein Genehmigungsgesuch und die Weiterentwicklung der Version 0.3 dargelegt. Zudem wurden sämtliche Stakeholder im Frühling 2023 eingeladen zur Version 0.3 Stellung zu nehmen. Die heute vorliegende Version 1.0 der ambulanten Pauschalen beinhaltet gewisse Anpassungen und Verbesserungen. In der kurzen Frist war jedoch keine umfassende Weiterentwicklung möglich, sodass die ambulanten Pauschalen weiterhin mit vom BAG und den Stakeholdern identifizierten Mängeln behaftet sind. Der Reifegrad unterscheidet sich darum deutlich vom TARDOC.
Das von H+ und santésuisse entwickelte Pauschalensystem wurde am 1. Dezember 2023 beim Bundesrat zur Genehmigung frühestens per 1. Januar 2026 eingereicht.
Im November 2022 haben die Tarifpartner mit der Gründung der Organisation ambulante Arzttarife OAAT AG (OAAT) gemäss Art. 47a KVG die gemeinsame zentrale Stelle für die Einführung, Pflege und Weiterentwicklung des TARDOC und des Pauschaltarifs geschaffen:
Im Jahr 2023 hat die OAAT ihre Tätigkeit und Aufbauarbeit aufgenommen. Im Rahmen von Arbeitsgruppen wurden Tarifierungsgrundsätze, übergeordnete Konzepte zur Koordination der Tarifwerke sowie die operative Überführung der zwei Organisationen ats-tms AG und solutions tarifaire suisses sa bearbeitet. Als erster Meilenstein wurden die Tarifierungsgrundsätze der OAAT im Juni 2023 einstimmig vom Verwaltungsrat verabschiedet. Nachdem die Modalitäten der Überführung der zwei Vorgänger-Organisationen geregelt wurden, besteht per 1. Januar 2024 nur noch die gemeinsame Organisation OAAT.
curafutura erwartet, dass die eingereichte ambulante Arzttarifstruktur TARDOC vom Bundesrat rasch genehmigt wird, sodass der Weg frei ist für die Einführung per 1. Januar 2025 und damit die vollumfängliche Ablösung des Tarmed.
Das ambulante ärztliche Pauschalensystem soll zügig entlang den Empfehlungen des BAG und der Stakeholder auf einen genehmigungsfähigen und einführungsreifen Stand gebracht werden. Die notwendigen Arbeiten dürfen die Genehmigung und Einführung des TARDOC nicht weiter verzögern.
curafutura unterstützt die zukünftige partielle Ablösung des TARDOC durch ein nationales Pauschalen-system. Die ambulante Tarifstruktur aus TARDOC-Einzelleistungen und ambulanten Pauschalen ist in Bezug auf die Anwendungsregeln, das Monitoring und insbesondere die Erfüllung des Gebots der Kostenneutralität unter dem Dach der OAAT kohärent zu gestalten.
Damit die Ablösung des Tarmed durch den TARDOC gelingt, ist curafutura auf vier Ebenen aktiv:
Die Tarifpartner curafutura und FMH haben dem Bundesrat das Ergebnis der fast zehnjährigen Revisionsarbeit zur Genehmigung eingereicht. curafutura setzt sich dafür ein, dass der Tarmed so bald als möglich durch den TARDOC abgelöst wird und somit eine geordnete Tarifentwicklung innerhalb der OAAT möglich wird. Die sequenzielle Einführung von TARDOC und ambulanten nationalen Pauschalen reduziert die Risiken bezüglich operativer Umsetzung und Einhaltung der Kostenneutralität.
Das Gesetz gibt das Ziel vor, dass der Wechsel eines Tarifmodells keine Mehrkosten verursachen darf. curafutura, FMH und MTK bekennen sich zur Kostenneutralität. curafutura und FMH haben das vertraglich vereinbarte Kostenneutralitätskonzept für drei Jahre mit dem Genehmigungsgesuch eingereicht.
Auch für den (partiellen) Übergang zu Pauschalen ist die Kostenneutralität sicherzustellen.
curafutura (mit SWICA), FMH und MTK haben bewiesen, dass von den Tarifpartnern verhandelte Lösungen auch für die volumenstärkste Tarifstruktur im OKP-Bereich machbar sind. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Tarifautonomie.
Die nationale Tariforganisation für ambulante Arzttarife ist Teil des Massnahmenpakets des Bundes. Die die Gründung und Operationalisierung der OAAT wurden von den Tarifpartnern unter Leitung von Regierungsrat P.-A. Schnegg erfolgreich abgeschlossen. Die ats-tms AG war für die Anwendung und Belange der ambulanten Arzttarifstruktur mehrjährig gut etabliert und setzt den Benchmark (Prozesse und Instrumente) für die Einführung sowie den laufenden Betrieb des TARDOC. Wichtige Revisionsprojekte des TARDOC für die nächsten Jahre sind bereits identifiziert und an die OAAT übergeben worden. curafutura wird diese Prozesse innerhalb der OAAT durch fachliches Knowhow und aktives Mitwirken unterstützen.
Der TARDOC ist wie der Tarmed eine Einzelleistungstarifstruktur. Aus Sicht von curafutura ist das Vorhandensein eines aktualisierten und sachgerechten Einzelleistungstarifs, welcher die Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllt, eine Voraussetzung für weitere Entwicklungsschritte. Pauschalen sollen, dort wo es vorteilhaft ist Einzelleistungen zu ersetzen, tarifpartnerschaftlich in der gemeinsamen nationalen Tariforganisation entwickelt werden.
[1] Datenquelle: SASIS AG, Datenpool, Monatsdaten (Langzeit-Cube September 2023) / Auswertung curafutura, Arztleistungen (TARMED und TARMED-Pauschalen) nach Behandlungsdatum.
Die Tarifpartner pflegen in einer gemeinsamen Organisation auf nationaler Ebene die Tarifstruktur, die die Tarifpositionen mit ihrem relativen Gewicht enthält (Taxpunkte). Die Vereinbarung der Taxpunktwerte (Preis) obliegt den Einkaufs- und Ärztegesellschaften. Beim Tarifübergang sind folglich auch die Kantone als Genehmigungs- und Festsetzungsbehörde in der Pflicht, für den Teil Preis die Kostenneutralität zu gewährleisten.
Mittels eines Modellvergleichs von TARMED und TARDOC V1.3 haben wurde geschätzt, welche Taxpunktvolumenveränderungen zu erwarten sind. Auf dieser Basis wurde der sog. External Factor (EF) bestimmt, welcher das TARDOC- gegenüber dem TARMED-Volumen konstant hält. Der errechnete EF liegt bei 0.82 (verhandelter Wert: 0.83). Jede Tarifposition wird mit diesem EF-Wert gekürzt. Der EF ist als integraler Bestandteil der Tarifstruktur im Anhang zum Grundvertrag TARDOC vereinbart.
Aufgrund der Forderungen des Bundesrates wurde die KN-Phase auf drei Jahre verlängert. Bisherige Tarifstrukturen sahen max. zweijährige Monitoringphasen vor, wie z.B. der vom BR genehmigte und auf 2022 eingeführte Rehabilitationstarif ST-Reha.
Die auf den geplanten Einführungstermin (1.1.2023) folgenden drei Jahre (2023, 2024, 2025) werden somit bis Mitte 2026 eng monitoriert.
Referenzmassstab für das TARDOC-Volumen ist das effektive TARMED-Volumen des letzten Jahres vor Einführung des TARDOC (2022). Auf dieses wird ein enger Korridor der zulässigen Wachstumsrate angewendet (vgl. Abbildung 1; jährlich +1% mit einem Korridor von +/-2%, d.h. obere Interventionsgrenze: +3%, +6%, +9% in den Jahren 2023, 2024 und 2025 gegenüber 2022; untere Interventionsgrenze: -1%. -2%, -3%). Zum Vergleich: Das TARMED-Volumen stieg zwischen 2015 und 2019 um durchschnittlich 3.0% pro Jahr, trotz Tarifeingriff vom 1.1.2018.
Mit der global über das Taxpunktvolumen festgelegten Wachstumsrate sind die gleichzeitig wirkenden allgemeinen Effekte aus medizinischer, medizin-technischer, sozio-demografischer und politischer Entwicklung beinhaltet.
Sofern das TARDOC-Volumen trotz EF in der Monitoring-Phase aus dem Korridor herausläuft, unternimmt die Monitoring-Kommission Massnahmen, um das Volumen zurück in den Zielbereich zu steuern. Es können Anpassungen an einzelnen Leistungspositionen, an Kapiteln oder am EF vorgenommen werden («Korrektur dort, wo der Handlungsbedarf am grössten ist»).
Realisiertes Fehlvolumen bzw. überschüssiges Volumen wird nach der Monitoringphase (2027) einmalig durch einen temporär höheren/tieferen EF ausgeglichen.
Bei notwendiger Korrektur und massgeblicher Unterscheidung der Wachstumsraten im spitalund praxisambulanten Bereich können die Ausgleichszahlungen (2027) sektoriell divergieren.
Nach Abschluss der Monitoring- und Kompensationsphase kommt ein definitiver, weiterhin einheitlicher EF zur Anwendung.
Es ist vereinbart, die Leistungsvolumenentwicklung auch nach der Kostenneutralitätsphase weiter zu monitorieren. Diesbezügliche Mechanismen und Prozesse sind im Tarifierungshandbuch festgehalten.