Bei der letzten Prämienrunde haben die Krankenversicherer auf Basis der Revision der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV) die Reserven freiwillig abgebaut. Heute entsprechen die Reserven in der Grundversicherung nur vier Monatsausgaben. Dieses Niveau ist angemessen und rechtfertigt keine zusätzliche Regulierung. curafutura begrüsst deshalb den Entscheid der Gesundheitskommission des Ständerates, die eine parlamentarische Intiative zur Festlegung einer verbindlichen Obergrenze für die Reserven abgelehnt hat.

Die Reserven der Krankenversicherer garantieren die finanzielle Stabilität des Gesundheitssystems und ermöglichen die Erstattung von Gesundheitsleistungen zu jedem Zeitpunkt. Es ist daher nicht sinnvoll, sie um jeden Preis zu reduzieren. Die parlamentarische Intiative Nantermod (20.463) hatte jedoch vorgeschlagen, dass das vorherige Minimum von 150 % der Solvenzquote zum neuen Maximum erklärt wird. Damit wäre eine solche Situation sowohl für die Stabilität des Systems (Finanzierung der Leistungen) als auch für die Versicherten (Prämienerhöhungen) kritisch.

Regulierung im Jahr 2021 angepasst
Die parlamentarische Initiative berücksichtigt nicht, dass die Rechtsgrundlage bereits im Juni 2021 geän- dert wurde, um Versicherern zu ermöglichen, vermehrt Reserven abzubauen. Diese Änderung der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV) senkte das Mindestniveau der Reserven auf 100% der Solvenzquote und erlaubte mehr Flexibilität zum Reserveabbau mit dem Konzept «knapp kalkulierte
Prämien».

curafutura ist der Meinung, dass diese KVAV-Änderung ihre Wirkung gezeigt hat und weiterhin zeigen wird. So wurden bei der Prämienrunde 2022 die Reserven freiwillig abgebaut und 380 Millionen Franken an die Versicherten direkt (Rückerstattung) oder indirekt (tiefere Prämien im Jahr 2022) zurückbezahlt. Dies trug zu einem leichten Rückgang der durchschnittlichen Prämie bei. Angesichts dieser Entwicklung sind keine weitere Regulierungsänderungen nötig.

Pius Zängerle, Direktor curafutura

Führt uns das diskutierte Kostenmonitoring in der OKP in die Irre? Wenn man sich die jüngsten Reaktionen auf den Kostenanstieg von 5,1 % im Jahr 2021 anschaut, ist diese Frage durchaus berechtigt. Die Zahl von 5,1 % scheint einige Kommentatoren in helle Aufregung versetzt zu haben. Als Beobachter darf man sich fragen: Ist das berechtigt oder bloss zur Durchsetzung eigener Interessen?

Sicher ist dabei Angst der falsche Ratgeber. Um handeln zu können, ist eine saubere Analyse gefragt, indem man die Zahlen kontextualisiert. Der Kostenanstieg erfolgt nach mehreren Jahren, in denen die Kosten stabil geblieben sind. Der durchschnittliche Anstieg über zehn Jahre zeigt daher ein genaueres Bild: Es sind +2,5% pro Jahr. Dieser Wert ist keineswegs katastrophal, sondern liegt sogar unter dem Zielwert, den die Expertengruppe des Bundesrates 2017 vorgeschlagen hatte.

Der durchschnittliche Kostenanstieg von 2,5% sollte entsprechend als Kompass dienen. Folgen wir diesem Kompass, geht es nicht mehr darum, sich zu empören, wenn die Kostenentwicklung die 0 % überschreitet. Sondern darum, sich zu fragen, wie man den Kostenanstieg durch konkrete Massnahmen wirksam bremsen kann.

Eine erste Antwort ist die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen, EFAS. Die herausragende Bedeutung dieser Reform ist unter Gesundheitspolitikern unbestritten. Und trotzdem fehlt es an der nötigen Geschwindigkeit bei der Umsetzung. Die Integration der Langzeitpflege könnte die Implementierung von EFAS auf die lange Bank schieben. Zudem scheinen einige Kantone versucht zu sein, EFAS dafür einzusetzen, um die etablierte Rolle der Versicherer bei der Rechnungskontrolle in Frage zu stellen. Wir fordern den Ständerat auf, hier zeitnah eine Entscheidung zugunsten der Versicherten und der Prämienzahler zu treffen.

Die zweite Antwort, um die Effizienz des Gesundheitssystems zu steigern, ist die Inkraftsetzung des neuen Arzttarifs TARDOC. Die endgültige Startversion liegt seit Dezember 2021 auf dem Tisch des Bundesrates. Auch hier stellt sich die gleiche Frage wie bei EFAS: Wann kommt die Umsetzung? In diesem Newsletter geht curafutura-Präsident Josef Dittli auf Fragen ein und zeigt auf, dass die Kostenneutralität mit dem TARDOC gewährleistet ist. Doch ist diese Klärung nur ein Vorspiel für weitere Vorbehalte des EDI? Wir sind überzeugt, dass der Bundesrat in corpore die grossen Verbesserungen, die der TARDOC gegenüber dem TARMED bringt, anerkennen wird. Aus unzähligen Gesprächen bin ich mir sicher: Dem Bundesrat ist die Dringlichkeit der Situation bewusst.

EFAS und TARDOC zeigen, dass wir Werkzeuge in der Hand haben, um den durchschnittlichen Kostenanstieg von +2,5% zu bremsen. Dies sind konkrete Möglichkeiten, die von der Mehrheit der Tarifpartner unterstützt werden.

Man wundert sich daher über diejenigen, die eine stärkere Verstaatlichung, Zentralisierung und Planung des Gesundheitssystems vorziehen. Denn Instrumente wie Kostenziele oder Massnahmen zur Steuerung der Kosten würden unweigerlich dazu führen. Sind diese Vorschläge von Panik getrieben? Sind ihre Befürworter geblendet wegen der Scheinwerfer, die alleine auf die Kostenentwicklung gerichtet sind und bedrohliche Schatten werfen?

Eines ist sicher: Die Wirksamkeit dieser Massnahmen ist zweifelhaft. Die Entwicklung der OKP-Kosten in den letzten Jahren zeigt auch, dass der Staat weniger gut abschneidet als die Tarifpartner. In Bereichen, in denen die Preise von den Tarifpartnern ausgehandelt werden, sind die Kosten in den letzten zehn Jahren um 2,4% pro Jahr gestiegen. In Bereichen, in denen die Preise vom Staat festgelegt werden, stiegen sie um 3% pro Jahr. Das müsste zu denken geben.

Das gibt zu diskutieren: Der geplante Neubau des Unispitals Basel. Bild: Unispital

Das Universitätsspital Basel baut einen neuen Tower. Auch andere Spitäler rüsten auf. Dabei geht der Trend weg von den stationären Behandlungen. Ambulant ist in aller Munde. Wie passt das zusammen? Was bewirken Spitallisten? Und wie ist das vom Parlament gutgeheissene Beschwerderecht für Krankenversicherer-Verbände gegen Spitalplanungsentscheide der Kantone zu beurteilen?

Das Parlament hat Ende Februar einen bemerkenswerten Artikel beschlossen. Neu sollen die Versicherer-Verbände ein Beschwerderecht bei der Spitalplanung der Kantone erhalten. Der Entscheid dürfte richtungsweisend sein und Signalwirkung entfalten, sollten beide Räte in der Schlussabstimmung dem ersten Massnahmenpaket zustimmen und somit das Ja zum Beschwerderecht für Krankenkassen-Verbände verankert werden.

Rund eine Million Menschen müssen jedes Jahr in der Schweiz ins Spital. Für sie zählt nur die beste Behandlung. Welches Spital sie auswählen, hängt mitunter von der Komplexität des Eingriffs, der Versicherungsleistung, der Nähe zum Wohnort und der Spitalliste des jeweiligen Kantons ab.

Die Auswahl ist gross. Die Schweiz verfügt über eine der grössten Spitaldichten weltweit. Oftmals verfügt ein Kanton über mehrere Spitäler mit ähnlichem Leistungsangebot. Das führt automatisch zum Wettbewerb. Wer am Markt bestehen will, braucht gutes Personal, eine initiative Spitalorganisation, moderne Infrastruktur und das entsprechende Marketing. Viele Bauten sind in die Jahre gekommen, sie stammen noch aus den 1970er- und 1980er-Jahren. Und der Anspruch vieler Schweizerinnen und Schweizer ist überdurchschnittlich.

Investitionsbedarf von 20 Milliarden Franken

Wenig verwunderlich, dass in den vergangenen Jahren viele Spitäler aufgerüstet haben. Licht am Ende des Tunnels ist nicht in Sicht. Der aktuelle Investitionsbedarf wird laut einer aktuellen Studie der Zürcher Kantonalbank (ZKB) auf 20 Milliarden Franken geschätzt. Verbesserungsmassnahmen hinsichtlich Profitabilität und Cashflow sind das alles beherrschende Thema, schreibt die ZKB; die Base-Rate von Swiss DRG führe zusätzlich zum Kosten- und Wettbewerbsdruck. Um Markteintrittsbarrieren zu schaffen, werde aufgerüstet.

Unter diesem Blickwinkel erstaunt es wenig, dass das Universitätsspital Basel einem Neubau plant. Der 68 Meter hohe Turm der Stararchitekten Herzog & de Meuron soll als Rochade-Fläche bei der Gesamterneuerung des Klinikums dienen. Der Neubau wirft Wellen – wegen seiner Höhe und seiner Strategie. Handelt es sich um Investitionsbedarf oder um eine Erweiterung des Volumens? Schon heute hat das Unispital Basel die Nase vorne. Im Spital-Ranking des US-Nachrichtenmagazins Newsweek ist das Universitätsspital Basel erst vor wenigen Wochen von Platz 35 im Jahr 2021 auf den 14. Rang vorgerückt (Uniklinik Lausanne auf Platz 11, Uniklinik Zürich auf Platz 15). Platz 14 im weltweiten Vergleich ist gut für die Reputation der Schweiz, für den Standort Basel, für unser Gesundheitssystem und für die Patienten, die sich in guten Händen wissen.

Trend geht in Richtung ambulant

Das Wettrüsten im Spitalsektor wirft aber auch Fragen auf. Wie sinnvoll ist das in der heutigen Zeit – angesichts der Tatsache, dass immer mehr Behandlungen ambulant durchgeführt werden? Der Grund liegt auf der Hand. Die technischen Errungenschaften und der medizinische Fortschritt führen dazu, dass Patienten am Tag der Behandlung einrücken und am selben Tag wieder nach Hause gehen können. Für die Spitäler ist das ein zweischneidiges Schwert. Die Vorteile ambulanter Eingriffe liegen auf der Hand. Die Kosten fallen deutlich tiefer aus als bei einer stationären Behandlung. Und der Patient ist schnell wieder zu Hause.

Diesem Trend wollen die Spitäler keinen Einhalt gebieten. Können sie auch nicht. Die Stossrichtung ist politisch gewollt, um das System finanziell zu entlasten. Auch darum haben die Kantone und der Bund eine Liste von Behandlungen erstellt, die nur noch ambulant durchgeführt werden dürfen, sofern keine medizinischen Gründe dagegensprechen. Ambulant belastet die Spitäler jedoch finanziell, weil die Behandlung tariflich weniger lukrativ ist. Das ist eine Hürde, die die Politik breit abgestützt zu überwinden gedenkt mit EFAS, der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen. Noch ist die Politik nicht so weit. Umso wichtiger ist die Frage, wie sinnvoll es ist, dass Spitäler in der heutigen Zeit in neues Gebäudevolumen investieren.  

Experte: Es fehlt eine übergeordnete Investitionsplanung

Einer, der das Immobiliengeschäft im Spitalsektor schon lange begleitet, ist der Immobilienexperte Christian Elsener, der dazu auch schon verschiedene Studien für das Beratungsunternehmen PwC verfasst hat. «Ein Überangebot ist immer noch das grösste Risiko zusammen mit zu hohen Kosten pro Produktionseinheit», sagt er und ergänzt: Er habe immer davor gewarnt, dass die Spitäler im Hinblick auf die «Ambulantisierung» eine zu grosse Bettenkapazität aufbauten. Am Ende bestehe in der Tat das Risiko eines Überangebots an stationär ausgerichteten Produktionsflächen und damit eine ungenügende Auslastung der Spitäler. Allerdings agieren gemäss Christian Elsener die meisten Spitäler heute in ihrer Investitionstätigkeit deutlich vorsichtiger als noch 2015, und sie legen viel Gewicht in die Tragbarkeit ihrer Investitionen.

Die Kompetenz zur Spitalplanung obliegt den Kantonen. Das Krankenversicherungsgesetz (KVG) regelt, dass die Kantone im Rahmen dieser Planung die Zulassung für die Durchführung von Leistungen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) steuern und dabei die Planungskriterien gemäss der Krankenversicherungsverordnung (KVV, Artikel 58a bis Artikel 58e) berücksichtigen. Klar ist, dass sie ihre Standortvorteile ausspielen wollen.  Schliesslich geht es um viel: Ein attraktives Spital in der Umgebung ist ein mächtiger Standortvorteil für jeden Kanton. Dabei nehmen Kantone mitunter sogar in Kauf, ihre Spitäler mehr oder weniger verdeckt zu subventionieren.

Kantone helfen kräftig mit

Die Kantone greifen ihren Spitälern nach wie vor gerne unter die Arme. Im Jahr 2019 zahlten die Kantone Schweizer Spitälern insgesamt 2’583 Millionen Franken. Das sind 365 Millionen Franken mehr als noch 2013.

Die Zeche bezahlen die Krankenversicherten, die sich beispielsweise 2019 mit durchschnittlich 1’051 Franken an den stationären Spitalkosten beteiligen. Und die Spitalkosten nehmen weiter zu. Mittlerweilen machen sie mit 37 Prozent den grössten Kostenblock im Gesundheitswesen aus. Entsprechend wird der Druck hin zur ambulanten Behandlung weiter ansteigen.

Die positive Entwicklung dieses Trends: Strategische Überlegungen spielen eine immer wichtigere Rolle. Spitäler müssen fokussierter an Kunden denken. Betriebsabläufe werden optimiert, Doppelspurigkeiten ausgemerzt. Einige Kantone stellen Überlegungen an, sich zu Spitalregionen zusammenzuschliessen. Fünf Ostschweizer Kantone haben im 2020 angekündigt, die Spitalversorgung künftig gemeinsam anzugehen. In Zürich erteilt die Gesundheitsdirektion drei kleineren Spitälern nur noch einen befristeten Leistungsauftrag. In der Zentralschweiz haben die Spitallandschaften Luzern und Nidwalden fusioniert.

Zängerle: «Positives Zeichen gesetzt»

«Selbstverständlich stecken die Krankenversicherer in diesem Themenkomplex mit drin», sagt Pius Zängerle, Direktor von curafutura, der früher Spitalrat und Präsident eines Spitals war. Das Ziel der Versicherer: Dem Patienten nach den Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit die bestmögliche Behandlung zu garantieren. Das übergeordnete Ziel: Dass sich noch mehr Kantone zu Spitalregionen zusammenschliessen und nicht jedes Spital jede Behandlung anbietet. Damit kannibalisiere man sich nur gegenseitig. «Insofern hat das Parlament ein positives Zeichen gesetzt, dass es den Versicherern in diesem Bereich mehr Kompetenzen verleihen will», sagt Zängerle. «Nun geht es darum, das Ergebnis aus beiden Räten über die Ziellinie der Schlussabstimmung zu bringen. Schliesslich reden wir hier auch von Prämiengeldern, die am richtigen Ort eingesetzt werden sollen.»

Josef Dittli, Ständerat und Präsident von curafutura

Die Befürworter des neuen Arzttarifs TARDOC sagen, dass er bereit sei, den veralteten Tarif TARMED ab 2023 zu ersetzen. Andere Akteure bestreiten dies jedoch und sind der Meinung, dass der TARDOC die Kostenneutralität nicht erfüllt. Wie lassen sich diese unterschiedlichen Interpretationen erklären?

Zunächst sollten wir klären, worüber wir sprechen. Die Kostenneutralität ist eines der zentralen Kriterien, die ein neuer Tarif erfüllen muss (KVV, Art. 59c Abs. 1 Bst. c). Sie bedeutet, dass der Übergang von einem alten zu einem neuen Tarif nicht zu Mehrkosten führen darf, die einzig und allein auf den Wechsel der Tarifstruktur zurückzuführen sind. Im Falle des Arzttarifs bedeutet dies, dass die Leistungen, die heute nach TARMED abgerechnet werden und rund 12 Milliarden Franken pro Jahr ausmachen, auch 12 Milliarden Franken kosten würden, wenn sie nach TARDOC abgerechnet würden.

Wie kann man sicher sein, dass dies tatsächlich geschieht? Sind Simulationen ausreichend, wenn man von einem Tarif spricht, der ein Drittel der Prämien ausmacht?

Wir haben volles Vertrauen in diese Simulationen, da sie sowohl von der FMH als auch von curafutura bestätigt wurden, also von Akteuren mit entgegengesetzten Interessen in Bezug auf die Kostenentwicklung.
Aber es gibt eine zusätzliche Sicherheit, die durch das Konzept der Kostenneutralität vorgesehen ist. Sobald TARDOC in Kraft tritt, wird ein Kostenmonitoring durchgeführt und der Tarif wird mit bereits beschlossenen Massnahmen angepasst, wenn die Kostenentwicklung einen bestimmten Schwellenwert überschreitet.
Bildlich sollte man von einem Korridor sprechen, denn es geht sowohl darum, einen übermässigen Kostenanstieg zu vermeiden, den die Prämienzahler tragen müssten, als auch einen starken Kostenrückgang, der die Leistungserbringer bestrafen würde.

Wie lange wird das Monitoring und die automatische Tarifkorrektur dauern?

Die Phase der Kostenneutralität dauert drei Jahre, in denen sich die Kostenentwicklung in einem Korridor zwischen -1% und +3% pro Jahr bewegen muss.
Diese drei Jahre sind eine Verlängerung der ursprünglich geplanten zweijährigen Dauer. Dies ist eine der vielen Gesten, die die Tarifpartner (FMH, curafutura und SWICA) unternommen haben, um den Empfehlungen des BAG nachzukommen.
Es ist daher erstaunlich, dass immer noch Stimmen zu hören sind, die das Konzept der Kostenneutralität in Frage stellen, obwohl es an den von der Genehmigungsbehörde geforderten Umfang angepasst wurde.

Sicherlich hätten einige einen engeren Korridor bevorzugt? Zum Beispiel einen Korridor, der von -1% bis +2% reicht?

Ja, es ist möglich, dass einige Akteure dies wünschen. Und warum sollte man in dieser Logik nicht einen noch engeren Korridor zwischen -1% und +1% festlegen?
Dies würde jedoch nicht mehr dem gesetzlich festgelegten Kriterium entsprechen. Die KVV verlangt nämlich lediglich, dass eine Tarifänderung nicht selbst und unabhängig zu zusätzlichen Kosten führt. Es geht mit dem heute gültigen KVG aber nicht darum, in die Kostenentwicklung des jeweiligen Tarifbereichs einzugreifen. Diese Kostenentwicklung hängt von exogenen Faktoren ab, wie dem Bevölkerungswachstum, der Alterung der Gesellschaft und dem technologischen Fortschritt. Diese Faktoren wirken logischerweise vor dem Tarifwechsel, aber auch nach dem Tarifwechsel. Es wäre also nicht legitim, einen Tarifwechsel als Vorwand zu nehmen, um die Kostenentwicklung auf unbestimmte Zeit einzufrieren.
Aus diesem Grund wurden die Parameter des Korridors zwischen -1% und +3% festgelegt. Auf der Basis der Entwicklung des ambulanten medizinischen Bereichs in der Vergangenheit haben wir uns tarifpartnerschaftlich auf diesen engen Korridor geeinigt. Der Tarmed hatte übrigens zwischen 2015 und 2019 – trotz Tarifeingriff – ein Wachstum von jährlich 3 %.

Sie sagen, dass ein Einfrieren der Kostenentwicklung illegitim sei. Ist es nicht ein lobenswertes Ziel, den Anstieg der Kosten zu bremsen?

Natürlich, aber das darf nicht über Umwege und mithilfe von Instrumenten geschehen, die nicht dafür vorgesehen sind.
Die Kostenneutralität bei einem Tarifwechsel darf nicht dazu missbraucht werden, ein dauerhaftes Gesamtbudget durch die Hintertür einzuführen. Hierzu müssten zuerst Gesetz und Verordnungen angepasst werden. Genau darum geht es bei den Themen der Kostensteuerung und der Kostenziele, die derzeit im Parlament diskutiert werden. Diese Diskussionen dürfen die Einführung des TARDOC aber nicht weiter verzögern. Sonst bleibt der veraltete Tarmed über Jahre zum Schaden des Gesundheitssystems weiter bestehen.

Das Parlament berät derzeit die Kostenbremse-Initiative der Mitte sowie den indirekten Gegenvorschlag (Zielvorgaben). Dabei geht es um verbindliche Kostenziele, sprich Kostenobergrenzen im Gesundheitswesen. Heute haben alle Menschen in der Schweiz einen weitgehend uneingeschränkten Zugang zur medizinischen Behandlung. Kostenziele würden dies abschaffen. Die Folge wäre eine Verschlechterung der medizinischen Grundversorgung und birgt das Risiko einer Unter- und Fehlversorgung. Eine solche Entwicklung lehnen FMH, economiesuisse, curafutura, und scienceindustries ab.

Die Verbände FMH, economiesuisse, curafutura, und scienceindustries haben am Dienstag Parlamentarier und Interessierte über Ihre Position zu den Kostenzielen informiert und sich über dieses wichtige Thema ausgetauscht.

Das Eidgenössische Departement des Innern möchte die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen mit verschiedenen Massnahmen dämpfen. Dabei ist von zentraler Bedeutung, dass politische Regulierungsmassnahmen vorsichtig abgewogen werden. Die medizinische Versorgung aller Patientinnen und Patienten in der Schweiz soll nicht durch Experimente aufs Spiel gesetzt werden.

Zielvorgaben gefährden solidarisch finanzierte Patientenversorgung

Zielvorgaben bedeuten, dass ein «gerechtfertigtes Wachstum» für das Gesundheitswesen im Voraus festgelegt wird. Das Erstellen, Prüfen und Verwalten der Zielvorgaben führt zu einer immensen Zunahme an Verwaltungsaufwand. Dieser schafft hohe Kosten ohne Mehrwert für die Patientinnen und Patienten.

Bei einer Überschreitung der Zielvorgaben, wird korrigierend eingegriffen. Zielvorgaben sind jedoch rein quantitativ und treffen somit alle Leistungen und Leistungserbringer eines Kostenblocks. Die Korrekturmassnahmen würden zu einer Einschränkung der bewährten solidarisch finanzierten medizinischen Versorgung für alle führen.

Innovation würde verhindert, dafür Zwei-Klassen-Medizin geschaffen

Kostengrenzen beschränken zudem den Zugang zu medizinischem Fortschritt und verhindern Innovation. Mit Zielvorgaben, Kostenobergrenzen und Globalbudgets wird die Patientenversorgung verschlechtert. Es wird eine Zwei-Klassen-Medizin geschaffen.

Konkret kann sich ein Teil der Patientinnen und Patienten die uneingeschränkte medizinische Grundversorgung über private Zusatzversicherungen weiterhin finanzieren. Jene, die das nicht können, müssen auf die aus medizinischer Sicht optimale Behandlung verzichten oder länger auf sie warten.

Anspruch der Versicherten soll berücksichtigt werden

Krankheiten verursachen neben den direkten finanziellen Kosten für medizinische Behandlungen auch gesellschaftliche Kosten und Belastungen, wie erhöhte Mortalität und Morbidität und verlorene Arbeitszeit bei Patienten und Angehörigen. Viele dieser nicht beachteten Kosten tragen die Patienten direkt, einige aber auch die Volkswirtschaft als Ganzes. Wenn die direkten medizinischen Kosten gedeckelt werden, verursacht dies höhere Kosten in diesen anderen Bereichen.

Es gibt richtige Massnahmen zur Kostendämpfung, die einen breiten Konsens haben und die Patientenversorgung nicht einschränken. Zu nennen wären dabei zum Beispiel die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS). Wichtig ist auch die Stärkung der kostengünstigen ambulanten Praxismedizin und der integrierten Versorgung. Ein zentraler Pfeiler dafür ist ein ausgewogener und zeitgemässer ambulanter Arzttarif. Mit dem TARDOC liegt seit langem ein Vorschlag auf dem Tisch. Auch tut eine raschere Aufnahme von innovativen Therapien in den Vergütungslisten Not. Mit neuen Preismodellen können solche den Patientinnen und Patienten schneller zur Verfügung gestellt werden.

Position curafutura

curafutura unterstützt einen standardisierten und verpflichtenden elektronischen Datenaustausch zwischen den Kantonen und den Versicherern. Der Umfang des Datenaustausches sollte jedoch um die Information «Wohnsitz» erweitert werden.

curafutura befürwortet den Ausschluss von «Phantomversicherten» im Risikoausgleich und fordert zudem, dass solche Personen temporär gänzlich von der Versicherungspflicht entbunden werden.

curafutura lehnt einen Einbezug von Auslandversicherten in den kantonalen Risikoausgleich ab und schlägt stattdessen einen eigenen Risikoausgleich unter Auslandversicherten in EU/EFTA-Staaten vor.

Der Nationalrat hat sich für die Massnahmen zu Steuerung der Kosten ausgesprochen, nachdem das Parlament das Instrument 2021 bereits abgelehnt hatte. curafutura bedauert diesen Entscheid, da das Instrument zentrale Prinzipien des Gesundheitssystems wie die Tarifpartnerschaft, das Versicherungsprinzip und das Recht auf Leistungen in Frage stellt. Darüber hinaus sind die Massnahmen zur Steuerung der Kosten extrem bürokratisch und werden die ohnehin schon grassierende Verstaatlichung des Gesundheitssystems weiter vorantreiben.

Eine komplette Änderung der Philosophie des Gesundheitssystems ist jedoch nicht gerechtfertigt, da das System funktioniert und sich gerade während einer Krise von bisher unbekanntem Ausmass bewährt hat. Erstens blieb die Kostenentwicklung in den letzten zehn Jahren unter der von der Expertengruppe des Bundesrates vorgeschlagenen Grösse von +2,7% pro Jahr. Zweitens wurden mehrere wichtige Reformen durchgeführt oder sind im Gange, die positive Auswirkungen haben werden, um den Kostenanstieg weiter zu bremsen und die Effizienz zu steigern (einheitliche Finanzierung EFAS, Arzttarif TARDOC, Qualitätsreform, Zulassung von ambulanten Leistungserbringer).

Vor diesem Hintergrund ist es nicht sinnvoll, das System mit einem so radikalen Mechanismus wie den Massnahmen zur Steuerung der Kosten auf den Kopf zu stellen. Die Massnahmen zur Steuerung der Kosten sind nicht zielführend und in der Praxis nicht umsetzbar: Eine Verpflichtung zu Massnahmen zur Steuerung der Kosten wird unweigerlich zu einer Zunahme der Blockaden bei den Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern führen. Dies wiederum wird zu einer Zunahme der vom Bundesrat erzwungenen Entscheidungen führen. Eine Ausweitung der subsidiären Kompetenzen des Bundesrates ist jedoch nicht wünschenswert, da sie die Verstaatlichung des Gesundheitssystems weiter verstärken würde, ohne dass die Kosten gesenkt werden könnten.

Wachsamkeit auch bei der Zielvorgabe

curafutura wird sich weiterhin in die Debatte einbringen und fordert den Ständerat auf, den Entscheid des Nationalrats zu revidieren und die Massnahmen zur Steuerung der Kosten abzulehnen. Zudem wird curafutura wachsam bleiben gegenüber ähnlichen Vorschlägen, wie z.B. die Einführung einer verbindlichen Zielvorgabe, die als indirekter Gegenvorschlag zur Mitte-Initiative «Kostenbremse» vorgeschlagen werden. Wie die Massnahmen zur Steuerung der Kosten würden auch die Zielvorgabe das Versicherungsprinzip und das Recht auf Leistungen untergraben und Fehlanreize schaffen.

Kostensteuerung ist ein komplexes Thema. Das zeigt die schwierige Debatte in den Räten. curafutura begrüsst den heutigen Entscheid der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N). Sie ist der ursprünglich beschlossenen Linie treu geblieben und spricht sich gegen eine Kostensteuerung aus, so wie es die beiden Räte bereits beschlossen haben. Auch im  Zusammenhang mit dem Bundesgesetz über die Regulierung der Vermittlertätigkeit kommt es zu einer sinnvollen Lösung. Der Bundesrat soll damit die Kompetenz erhalten, die Branchenvereinbarung für allgemeinverbindlich zu erklären.

Es ist bereits heute die Pflicht der Tarifpartner, sich nach den Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit zu richten. Der heutige Entscheid der SGK-N ist daher nach Ansicht von curafutura erfreulich. Es soll nicht dem Bund obliegen, das Heft für eine Kostensteuerung zu übernehmen.

Gutes Signal bei der Vermittlertätigkeit
Ebenso begrüsst curafutura den Entscheid der nationalrätlichen Kommission im Zusammenhang mit der Branchenvereinbarung Vermittler. Die Tätigkeit von Vermittlern, die im Bereich der Krankenversicherung tätig sind, wird durch eine Branchenvereinbarung geregelt. Diese ist am 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll dem Bundesrat die Kompetenz erteilt werden, die Branchenvereinbarung für allgemeinverbindlich zu erklären, damit sie für alle Versicherer gilt. Eine Mehrheit der Mitglieder von curafutura unterstützt dieses Ziel und begrüsst, dass die SGK-N mit der Annahme dieser Gesetzesvorlage dem Bundesrat diese Kompetenz geben will.

Andere Elemente gingen deutlich weiter als das, was in der ursprünglichen Motion gefordert wurde. So war vorgesehen, externe Vermittler und Angestellte der Versicherer gleichzustellen und der gleichen Regulierung zu unterwerfen. Das hätte zu erheblichen Problemen geführt. curafutura ist daher erfreut, dass die SGK-N die neuen Regeln betreffend Entschädigung und Ausbildung auf externe Vermittler beschränkt hat.

Dr. Mario Morger ist Ökonom, Mitglied der Geschäftsleitung und leitet das Ressort Tarife bei curafutura. Er ist Mitglied der Eidgenössischen Qualitätskommission.

Mario Morger fordert Transparenz in der Medizin. Nur so könne der Wettbewerb spielen und die Qualität des Schweizer Gesundheitswesens verbessert werden, sagt der Leiter Tarife der curafutura.

Was ist Ihre Definition von Qualität?
Qualität ist für mich, wenn ein Patient, der eine Erkrankung hat, die für seine spezifische Situation optimale Behandlung erhält. Das beginnt bei der Diagnose und führt zu den richtigen Folgeentscheiden mit dem bestmöglichen Ergebnis für die Patientinnen und Patienten.

Wir sind sehr stolz auf unser Gesundheitssystem. Zurecht?
Es gibt zwei Aussagen über das Schweizer Gesundheitssystem, die man immer wieder hört: Es ist eines der teuersten und eines der besten Systeme der Welt. Der erste Punkt stimmt, was jedoch die Qualität betrifft, können wir keine gesicherte Aussage treffen. Dafür fehlt uns die Transparenz, es fehlen uns heute die Instrumente und Mittel, die Qualität zu erheben. Da liegt viel Potenzial brach. Wissenschaftliche Studien kommen zum Schluss, dass 20 Prozent der Leistungen im System keinen Nutzen haben, so genannter «waste» sind.

Was heisst das?
Es werden Leistungen erbracht, die dem Patienten nichts helfen oder zum Teil sogar schädlich sind. Ein Beispiel, das dies eindrücklich illustriert, sind Kniearthroskopien. Im Kanton Schwyz werden etwa siebenmal so viele dieser Eingriffe durchgeführt wie im Unterwallis. Dieser Unterschied ist medizinisch nicht zu erklären, auch nicht wenn man die Demographie heranzieht. Mit anderen Worten: Entweder gibt es zu viele Arthroskopien in Schwyz oder zu wenige im Unterwallis, aber die Indikationsqualität kann nicht gleichzeitig an beiden Orten optimal sein.

Neulich hat der «Tages-Anzeiger» getitelt: «Operation Sparen bei unnötigen Therapien – missglückt».
Da müssen wir ansetzen, wir müssen Transparenz schaffen. Es gibt Leistungserbringer, die die Qualität in den Fokus rücken. Es gibt zum Beispiel verschiedene Ärztenetzwerke, die sehr innovativ unterwegs sind und im Kleinen aufzeigen, was möglich ist. Auf der anderen Seite gibt es eine riesige Blackbox: Von den meisten Leistungserbringern wissen wir nicht oder zu wenig genau, ob sie gute Leistungen erbringen.

Im Gesundheitssystem ist viel von Kosten die Rede. Stehen Kostendruck und Qualität nicht in Konkurrenz zueinander?
Leistungen, die in guter Qualität erbracht werden, wirken kostendämpfend. Etwa bei Operationen. Bei guter Qualität haben wir weniger Komplikationen, weniger Rehospitalisationen, weniger Folgeleiden, weniger Physiotherapie-Leistungen, korrektere Medikation. Wir sehen da keinen Zielkonflikt, im Gegenteil: Eine gute Qualität nutzt dem einzelnen Patienten ebenso wie dem gesamten System.

 

Was für das Wasserglas gilt, gilt auch für das Gesundheitswesen: Ohne Transparenz kein Durchblick

Was braucht es für eine gute Qualität?
In erster Linie Transparenz. Wir brauchen transparente Qualitätsindikatoren auf allen Stufen der Leistungserbringer. Die lassen Rückschlüsse auf die Qualität der Behandlungen zu und erlauben es den Leistungserbringern zudem, sich untereinander zu vergleichen. Mit der Transparenz kommen wir automatisch in einen Konkurrenz- und Verbesserungsprozess. Auf der anderen Seite besteht bei den Patienten ein grosses Bedürfnis, sich informieren zu können, in welcher Klinik oder bei welchem Arzt sie welchen Eingriff machen wollen.

Kann man von Patienten erwarten, dass sie diese Verantwortung übernehmen?
Auf jeden Fall. Das Gesundheitswesen muss darauf ausgelegt sein, dass die Patienten mündig sind. Ebenso wie wir im politischen System davon ausgehen, dass die Bürgerinnen und Bürger mündig sind. Jeder Konsument macht seine Ferien- und Hotelbuchungen anhand von Bewertungen, kauft technische Geräte entsprechend. Dort aber, wo es um das Wichtigste überhaupt geht, nämlich die Gesundheit, sollte das nicht gehen? Das sehe ich nicht so. Die Frage ist nicht ob, sondern wie man diese Informationen zugänglich macht.

Welche Werkzeuge geben Sie den Patienten dafür?
In erster Linie braucht es Informationen, die Patientinnen und Patienten verstehen und nachvollziehen können. Man darf nicht einfach sagen, die verstehen es eh nicht. Da muss man die entsprechende Unterstützung bieten. Da wären wir wieder bei der Digitalisierung, die uns Werkzeuge zur Verfügung stellt oder Werkzeuge möglich macht, um diesen Kompass zu bieten.

Welche Rolle spielt curafutura in dieser Diskussion?
Unsere Rolle ist vom Gesetz gegeben: Wir arbeiten mit den Leistungserbringern nationale Qualitätsverträge aus und legen damit das Fundament für die Qualitätsentwicklung.

Wie sorgt man dafür?
Innerhalb des gesetzlichen Rahmens möchten wir vor allem gute Bedingungen und einen Anreiz schaffen, damit die Leistungserbringer die Qualitätsentwicklung von sich aus angehen. Was uns am Ende interessiert, sind gute Ergebnisses für die Patientinnen und Patienten, die wir als sog. Outcome messen. Man muss aber aufpassen, dass man unter dem herrschenden Druck des Gesetzgebers nicht in einen Aktivismus verfällt. Man muss umsichtig sein und darf in der aktuellen Kostendiskussion nicht zu stark regulieren. Innovation kann nur dort entstehen, wo es einen gewissen Freiraum gibt, um die Qualität zu entwickeln.

curafutura ist der Verband der innovativen Krankenversicherer. Was heisst Innovation in Bezug auf die Qualität der Medizin?
Für uns heisst Innovation in erster Linie, dass wir mit dem medizinischen Fortschritt Schritt halten. Wenn neue Behandlungsmethoden auf den Markt kommen, suchen wir mit den Tarifpartnern Lösungen, um gemeinsam vorwärts zu kommen. In der Praxis ist das nicht immer so einfach, wir bewegen uns in einem doch sehr starren gesetzlichen Rahmen. Dieser darf weder Leistungserbringer noch die Krankenversicherer zu stark einzuschränken. Denn gerade im Bereich der Qualität öffnen sich laufend neue Opportunitäten.

Zum Beispiel?
Es gibt gewisse Leistungserbringer-Gruppierungen, die innovativer unterwegs sind als andere. Die in der Digitalisierung Möglichkeiten und Chancen sehen, die Qualität voranzutreiben.

Die Rolle von curafutura in der Qualitätsdiskussion: Beobachten und überprüfen ohne den Weitblick zu verlieren.

Stichwort Digitalisierung: Was kann sie zur Qualität beitragen?
Die Digitalisierung birgt ein grosses Potenzial. In der Medizin allgemein und für die Qualität der Medizin im Speziellen. Denn am Anfang der Qualität steht die Transparenz und die können wir herstellen, wenn wir entsprechende Daten erfassen, auswerten und vergleichen können. Nehmen wir das leidige Beispiel des elektronischen Patientendossiers, um das Potenzial sichtbar zu machen. Würde man das endlich richtig umsetzen, käme das einem Digitalisierungsschub gleich. Die verschiedenen Leistungserbringer wären vernetzt, viel weniger Informationen gingen verloren. Man hätte gleichzeitig einen unmittelbaren Nutzen im Alltag und eine Datenbasis, um die Qualität zu monitoren und weiterzuentwickeln.

Was heisst das für Patientinnen und Patienten konkret?
Nehmen wir an, jemand ist bei verschiedenen Ärzten in Behandlung. Einem Hausarzt, einer Spezialistin, unter Umständen mit einem Aufenthalt in einem Spital. Alle drei verschreiben Medikamente – und es kann gut sein, dass niemand die Übersicht hat, welche Medikamente der Patient einnimmt. Das ist nicht nur ineffizient sondern auch gefährlich, weil Komplikationen auftreten können, die wiederum Kosten verursachen. Das Patientendossier würde also die Qualität verbessern und dazu beitragen, Kosten einzusparen.

Tönt eigentlich simpel.
Im Prinzip schon, aber es ist bis heute leider nicht gegeben.

Die Medizin ist selber sehr innovativ. Dagegen ist die Tarifwelt und der Gesetzgeber träge. Wie bewegt man sich in diesem Spannungsfeld?
Wir sind mitten drin in diesem Spannungsfeld. Natürlich bekommen wir das zu spüren. Der neue Arzttarif, der Tardoc, ist hier das beste Beispiel. Ein neuer, dynamischer Tarif ist absolut zentral, denn Tarifentwicklung hat sehr viel mit Qualität zu tun. Er räumt Fehlanreize aus und erstattet die nötigen Leistungen korrekt und fair.

Eine breite Allianz mit Vertretern der Gesundheitsbranche setzt sich dafür ein, der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) zeitnah zum Durchbruch zu verhelfen. Bei EFAS handelt es sich um eine der wichtigsten Reformen des Gesundheitssystems überhaupt. Durch die Beseitigung von Fehlanreizen und eine optimale Aufteilung zwischen stationären und ambulanten Behandlungen entlastet sie Prämien- und Steuerzahlende, ohne die hervorragende Gesundheitsversorgung oder die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten mit medizinischen Leistungen zu beeinträchtigen. Die EFAS-Allianz setzt sich deshalb dafür ein, dass es nun im Parlament – zunächst in der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) – zügig vorwärts geht.

Ambulante und stationäre Leistungen müssen gleich finanziert werden. Davon sind viele wichtige Institutionen der Gesundheitslandschaft Schweiz überzeugt. Entsprechend wird EFAS von den meisten Akteuren im Gesundheitswesen begrüsst. Um die Bedeutung der Reform zu unterstreichen und dem Anliegen Schub zu verleihen, haben sie sich zur EFAS-Allianz (siehe Kasten) zusammengeschlossen. Denn nach wie vor werden ambulante und stationäre Leistungen unterschiedlich finanziert. Das führt zu Fehlanreizen.

Aufgrund des technologischen Fortschritts können immer mehr stationäre Behandlungen ambulant durchgeführt werden. Ambulante Behandlungen werden jedoch zu 100 % über Krankenkassenprämien finanziert, stationäre Behandlungen teilen sich Kanton und Krankenversicherer im Verhältnis 55 zu 45. Wegen der verstärkten Verlagerung zu ambulanten Leistungen steigt nun der Anteil der Gesundheitsausgaben, die über die Prämien der Krankenversicherer finanziert wird. Die Folge ist eine Kostenerhöhung zulasten der Prämienzahlerinnen und Prämienzahler, obwohl sich die Behandlungskosten im stationären Bereich insgesamt moderat entwickeln.

Mit EFAS würden Prämien- und Steuerzahlende entlastet
Eine einheitliche Finanzierung entschärft diesen Umstand und trägt dazu bei, dass die Anreize richtig gesetzt werden. Das wirkt sich auf die gesamten Behandlungskosten positiv aus, weil damit die Verlagerung von stationär zu ambulant weiter gefördert wird. Weder wird dadurch die gute Gesundheitsversorgung beeinträchtigt, noch leidet darunter die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten hinsichtlich der medizinischen Versorgung.

Die Vorteile von EFAS liegen auf der Hand. Der Nationalrat hat die Vorlage bereits vor mehr als zwei Jahren beschlossen und auch der Bundesrat wünscht die Umsetzung. Trotz breiter Zustimmung ist das Geschäft zuletzt jedoch nicht vorwärts gekommen. Neben der Prüfung von technischen Detailfragen wurden im Auftrag der SGK-S umfassende Abklärungen zu einer allfälligen Integration der Langzeitpflege gemacht.

Die Allianz ist überzeugt, dass es nicht zielführend ist, die Vorlage zu überladen und EFAS somit massgeblich zu verzögern. EFAS sollte pragmatisch und zeitnah umgesetzt werden. Die Diskussion über die Integration der Langzeitpflege kann erst in einem zweiten Schritt nach der umfassenden Klärung der OKP-pflichtigen Kosten (Kostentransparenz) geführt werden. Eine raschestmögliche Kostentransparenz im Bereich Langzeitpflege ist im Sinne der EFAS-Allianz und der Langzeitpflege selbst.

Es braucht jetzt ein deutliches Zeichen, um EFAS den nötigen Schub zu verleihen. Andernfalls droht eine wichtige Reform im Schweizerischen Gesundheitssystem daran zu scheitern, dass sie wegen Detailfragen zerpflückt wird, obwohl ihr Nutzen für die Bevölkerung unbestritten und daher eine zeitnahe Umsetzung angezeigt ist.

Breite Unterstützung für EFAS
Der EFAS-Allianz gehören curafutura, der Schweizerische Versicherungsverband SVV, FMH, fmc, FMCH, das Bündnis Freiheitliches Gesundheitswesen, das Forum Gesundheit Schweiz, H+, Interpharma, medswiss.net, mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz, pharmaSuisse, RVK, santésuisse, die SBV, das Schweizerische Konsumentenforum kf, und vips an.