Nachdem im September ein deutlicher Prämienanstieg für 2024 (+8,7%) angekündigt wurde, mehren sich die Stimmen, die eine Debatte über die Entwicklung des Leistungskatalogs fordern. Tatsächlich ist dieser seit dem Inkrafttreten des KVG im Jahr 1996 kontinuierlich erweitert worden. Die Erweiterung der Palette der vergüteten Leistungen wirkt sich stark auf die Kostenentwicklung aus. Dabei ist zu beobachten, dass die Tendenz, neue Elemente in den Katalog aufzunehmen, ungebrochen anhält. Die Handhabung ist träge wie ein Tanker, den man am liebsten stoppen oder wenden würde, der aber noch viele Kilometer weiterfährt.
 
Wie lange dauert es noch bis zum Kurswechsel des Luxusliners?

In der Debatte um steigende Prämien macht folgende Idee die Runde: Die Erweiterung des Leistungskatalogs ist Teil der Gleichung. curafutura hat die Diskussion Ende August anlässlich ihres Jahresmediengesprächs lanciert. So kritisierte Andreas Schönenberger, CEO von Sanitas, die Doppelmoral der Politik und betonte, dass es nicht sein kann, «dass diese ständig neue Leistungen bestellt und sich danach über die Mehrkosten beklagt».

«Wo hört die Verantwortung des Staates auf?»
Auch der Gesundheitsökonom und Professor an der Universität Basel, Stefan Felder, hinterfragte in einem Interview mit curafutura den Leistungskatalog: «Wo hört die Verantwortung des Staates auf? Haben alle Anrecht auf eine ‘Präsidenten-Medizin’, wie sie beispielsweise Joe Biden zukommt? Natürlich nicht: Es muss Grenzen geben, wo die Verantwortlichkeit des Staates aufhört und die der Privatperson beginnt. Diese Diskussion ist unbequem und wird nicht geführt.»

In der Folge schlossen sich weitere Akteure dieser Diskussion an. So war zu vernehmen, dass santésuisse Anfang September ein Moratorium für neue Leistungen forderte und die Groupe Mutuel Anfang Oktober eine Kürzung des Leistungskatalogs der OKP verlangte.

Aus Sicht von curafutura ist es noch zu früh, um zu sagen, mit welchen konkreten Mechanismen die Frage angegangen werden soll. Es ist jedoch festzustellen, dass die von curafutura angestossene Diskussion mittlerweile von einigen Akteuren des Gesundheitssystems aufgenommen wurde. Im politischen Bereich scheint sie jedoch noch zu wenig auf Gehör zu stossen.

Am Tag der Prämienkommunikation werden neue Leistungen beschlossen
Denn am selben Tag (sic), an dem die Prämienerhöhung 2024 angekündigt wurde, was den allgemeinen Unmut der Versicherten, der Politiker und der Medien hervorrief, beschloss das Parlament in aller Ruhe, den Leistungskatalog noch weiter auszubauen. So nahm der Ständerat am 26. September 2023 eine Motion an, die darauf abzielt, eine Pflicht zur Erstattung von Dolmetscherkosten für Personen durch die OKP einzuführen, die keine Landessprache sprechen. Dies, obwohl klar ist, dass die zusätzlichen Kosten beträchtlich sein werden und die Frage berechtigt ist, ob es in der Verantwortung der OKP liegt, Kosten aufgrund von Sprachproblemen zu übernehmen.

Natürlich handelt es sich hier nur um einen Einzelfall und es geht nicht darum, eine Gruppe von Patienten über eine andere zu stellen. Und man hört schon die Befürworter dieser Massnahme uns erklären, dass die dadurch verursachten Kosten nur einen kleinen Teil der gesamten OKP-Kosten von 36 Milliarden Franken pro Jahr ausmachen werden. Dennoch ist diese Episode sehr interessant, da sie die Dynamik, die seit 1996 entstanden ist, deutlich macht: Eine schrittweise und bislang unaufhaltsame Ausweitung des Leistungskatalogs der OKP, eine kategorische Forderung nach der anderen.

Mediendruck für immer mehr
Abgesehen von den konkreten Entscheidungen des Parlaments oder des Bundesrats, die den Leistungskatalog erweitern, muss ein weiteres Element erwähnt werden: Der starke Druck der Medien, immer mehr Elemente in die OKP zu integrieren. Dies gilt beispielsweise für den Off-Label-Use von Medikamenten, bei dem sich einige Medien gerne auf Ablehnungen der Kostenübernahme konzentrieren, obwohl insgesamt über 80% der Anträge angenommen werden. In letzter Zeit konnte man auch Politiker hören, die sich dafür aussprachen, die Kosten für Verhütung in die Grundversicherung aufzunehmen oder die die Tatsache beklagten, dass die Zahnarztkosten nicht enthalten sind.

Dieser Mechanismus wurde kürzlich in einem Gastbeitrag von Jacques-André Haury in L’Agefi beschrieben: «Die Medien tragen eine Mitverantwortung für den Anstieg der Gesundheitskosten. Sie müssen sich dessen bewusst sein und darauf reagieren. Es ist einfach, die Öffentlichkeit auf die steigenden Versicherungsprämien aufmerksam zu machen und, wenn möglich, das System und die Versicherer zu beschuldigen. Aber die Experten der Fakultät über die Effizienz ihrer Vorschläge und die damit verbundenen Kosten zu befragen, erfordert mehr Mut, obwohl genau das von den Medien erwartet werden sollte.»

Schluss mit der Naivität
Aus Sicht von curafutura ist es daher überfällig, eine gewisse Naivität gegenüber den steigenden Gesundheitskosten abzulegen. Ende September die steigenden Prämien zu beklagen und für den Rest des Jahres die Ausweitung der übernommenen Leistungen zu fordern, ist nicht kohärent. Die Politik muss diese Debatte aufgreifen und über konkrete Instrumente nachdenken, um diese Entwicklung zu begrenzen. Dies ist nicht die einzige Massnahme, aber sie ist zentral für eine wirksame Kostendämpfung.

Das Magazin des Tages-Anzeigers hat Anfang Oktober eine Reportage publiziert mit dem Titel «Auf Stammtisch-Tour durch die Schweiz». Journalisten des Magazins wollten wissen, wo Herrn und Frau Schweizer vor den Wahlen der Schuh drückt. Dazu haben sie sich am Stammtisch in Altdorf, in Schwyz, in Muotathal (SZ), in Zürich, Olten und Bern umgehört. Fazit: Schweizerinnen und Schweizern geht es gut. Gesundheitspolitik kommt quasi nicht zur Sprache, obschon Thema Nummer 1 im Wahlkampf und im Sorgenbarometer ganz oben. Einzig die Muotathaler diskutieren am Rande über Physiotherapie. Ansonsten bewegt die Gemüter politisch, wenn überhaupt, der Wolf. Wie passt das zusammen?

Auf der einen Seite haben wir auf das kommende Jahr eine markante Prämienerhöhung von 8.7%, die uns alle belastet und eine ungemütliche Entwicklung darstellt. Entsprechend dominant ist das Thema in den Medien. Auf der anderen Seite beschäftigen sich die Schweizerinnen und Schweizer weitaus weniger mit Gesundheitspolitik als die Medienberichterstattung vermuten lässt. FMH-Präsidentin Yvonne Gilli bezeichnete in einem Beitrag in der Schweizerischen Ärztezeitung SAEZ von Mitte Oktober die Mischung aus steigenden Prämien und nationalen Wahlen als toxisch. Weil viele Voten nur auf Ideologie und Schuldzuweisung abzielten, ohne entsprechende Rezepte oder mit wenig tauglichen.

Was bleibt hängen?
Mich treibt in diesem Kontext vor allem eine Frage um: Was bleibt von all den Ideen nach den Wahlen übrig? Denn wenn schon viel Lärm, dann wenigstens solcher, der zurecht Aufmerksamkeit generiert. Mit einer Rezeptur, die das an sich gute Gesundheitssystem verbessert – qualitativ UND Kosten dämpfend. Diese Kombination ist per se anspruchsvoll. Oftmals geht Kostendämpfung mit Abstrichen am Status Quo einher. Oder mit sinnloser Bürokratie. Und Verbesserung am System bedeutet nicht selten Mehrausgaben.

Gute Reformen bringen beides. DAS muss unser Gradmesser sein. Hier setze ich viele Fragezeichen hinter die aktuellen Vorschläge.

DIE 10 %-Inititative mag sozialpolitisch Linderung verschaffen, sie verbessert aber weder das System an sich noch führt sie zur Kostendämpfung. Auch der  Vorschlag einkommensabhängiger Versicherungsprämien führt zu Komplexität und Aufwand. Die Kostenbremse-Initiative verbessert weder den Status Quo noch führt sie zur Optimierung. Nur schon mit dem indirekten Gegenvorschlag dürfte es noch mehr Blockaden geben.

Die Neuauflage der Einheitskassendiskussion bringt wohl auch keine neuen Erkenntnisse. Bei aller Kritik am Geschäftsverhalten von Krankenversicherern: Sie haben im Vergleich zu andern Sozialversicherungen tiefe Verwaltungskosten. Eine Einheitskasse brächte mehr Bürokratie ohne am Grundproblemen des Prämienwachstums etwas zu ändern.

Aktuell gibt es drei Reformen, die echte Kostendämpfung und Systemverbesserung bringen: Es sind dies die Einführung des ambulanten Arzttarifs TARDOC mit Pauschalen (sofern diese Tarife genehmigt werden). Die einheitliche Finanzierung EFAS. Und die Revision der Marge, damit der Apotheker beim Verkauf eines Originalmedikaments nicht mehr verdient als mit einem Generikum. Alle drei Reformen beheben grosse Fehlanreize und verbessern dadurch das System. Alle drei dämpfen die Kosten. TARDOC aufgrund der Kostenneutralität für drei Jahre (600 Mio.). EFAS weil wir mehr günstig ambulant behandeln und die koordinierte Versorgung einen Schub erhält, was Doppelspurigkeiten verhindert (1 bis 3 Mia. gemäss Studien). Die Margenrevision, weil es der Durchbruch für mehr Generika ist (60 Mio. plus mehrere 100 Mio. aufgrund von Nachfolge-Effekten).

Die drei Reformen haben Gemeinsamkeiten: Sie sind seit über 10 Jahren unterwegs. Sie sind notwendig und reif, aber weder interessant noch extravagant. Ganz anders die aktuellen Vorschläge der Parteien. Hier gehen die Emotionen hoch. Hier liegt der Fokus auf dem Ideengeber. Das ist wahlkampftechnisch optimal.

Staatsepidemiologe Tegnell: «Gegen simple Lösungen bin ich zutiefst skeptisch»
Der ehemalige schwedische Staatsepidemiologe Anders Tegenell sagte einmal etwas, das mich aufhorchen liess: «Gegen simple Lösungen bin ich zutiefst skeptisch.» Weil sie in der Umsetzung meist viele Fehler zu Tage förderten. Ich gebe Tegnell insofern recht, als dass mir simpel zwar lieb ist, da schnell erfassbar. Aber gerade die Debatten um EFAS, TARDOC und Margenrevision zeigen, dass erst in der Auseinandersetzung mit dem Thema die Herausforderungen klar werden. Und wie schwierig es ist, eine kooperative Lösung hinzubekommen in einem System wie der Schweiz mit vielen Akteuren, die alle angehört werden wollen und mitreden können.

Letztlich obsiegt der Kompromiss, bei dem alle Abstriche zugunsten des neuen Produkts machen müssen. curafutura ist der Durchbruch bei der Margenrevision mit pharmaSuisse, FMH und H+ gelungen, bei EFAS mit 22 namhaften Verbänden sowie beim TARDOC mit der FMH, MTK und SWICA – und neuerdings auch mit Santésuisse und H+ in der Zusammenarbeit in einem gemeinsamen Tarifbüro. Die lange Reifezeit der Projekte zeigt, dass es schnelle Lösungen auf Knopfdruck nicht gibt. Schon gar nicht in der Schweiz, die alle Vor- und Nachteile so lange abwägt, bis die «kluge» Lösung da ist. In der Vergangenheit sind wir für unser Abwägen belohnt worden. Und heute? Nach wie vor bin ich überzeugt, dass unser föderales System viele Vorteile hat –  auch wenn sich die Welt immer schneller dreht. Irgendwann ist aber in jeder Debatte der Moment gekommen, um über den Schatten zu springen. Ich meine, das sei bei allen drei Reformen jetzt. Sonst kommt der Absturz.

Die Schweiz hat – allen Unkenrufen und negativen Berichterstattungen zum Trotz – nach wie vor eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Das hat seinen Preis. Schrauben wir wie wild daran herum und bewegen uns in alle Richtungen, laufen wir Gefahr, mehr zu verlieren, als uns lieb ist. Das neue Parlament muss unter neuem Bundesrat reife Projekte wie EFAS übernehmen. Und ein neuer Bundesrat wird bald über den ambulanten Arzttarif entscheiden müssen. Damit Platz für Neues entsteht, das dann 2030, 2040 oder vielleicht auch erst 2050 (!) zur Einführung bereitstehen wird. Ginge es schneller, wäre es eine erfreuliche Überraschung. 

EFAS verbessert unser Gesundheitssystem. Die Reform vereinheitlicht die Finanzierung und führt zu erheblicher Kostendämpfung. Darin ist sich curafutura gemeinsam mit 22 weiteren Akteuren des Gesundheitssystems sowie dem Bundesrat einig. Damit dies gelingt, braucht es bei der Einführung von EFAS aber eine schlanke Lösung ohne doppelte Rechnungskontrolle. Und es bedarf verlässlicher Rahmenbedingungen bei der Integration der Pflege.

Die Gesundheitskommission des Ständerates (SGK-S) will nichts wissen von einer Annäherung an die Beschlüsse des Nationalrates. Sie bleibt dabei: Die Rechnungen im stationären Bereich sollen weiterhin nicht nur von den Versicherern, sondern auch von den Kantonen kontrolliert werden. Zudem soll die Pflege nach einer festen Frist von 7 Jahren – selbst bei unklarer Datenlage – in EFAS integriert werden.

Die Vorlage verliert dadurch an Effizienz bei der Rechnungskontrolle – dem eigentlichen Kerngebiet der Versicherer. Zudem geht der Ständerat auf Kosten der Versicherten unnötige Risiken ein. Denn er will EFAS in die Pflege integrieren ohne klare Bedingungen zu nennen, die erfüllt sein müssen, damit diese Integration vollzogen werden kann. «Ich hoffe sehr, dass beim Ständerat noch ein Umdenken stattfindet», sagt Pius Zängerle, Direktor von curafutura. «Das Verharren der Gesundheitskommission auf ihrer Position verschlechtert den Kerngehalt von EFAS. Wir wollen eine klare Systemverbesserung gegenüber dem Status quo sowie echte Kostendämpfung», sagt Pius Zängerle, auch im Hinblick auf die Debatte im Ständerat in der Wintersession.

Statt eines zügigen Vorankommens dieser wichtigsten Gesundheitsreform seit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes droht nun in der Wintersession im neu gewählten Parlament eine schwierige Debatte und ein diffuser Kompromiss.

23 Verbände stehen hinter EFAS

Mit EFAS erhält die gewünschte und dringend notwendige Ambulantisierung den nötigen Schub. Sie hilft mit, dass die Gesundheitskosten gedämpft werden können, weil ambulant deutlich günstiger ist als stationär. Studien sprechen von einer Kostendämpfung von 1 bis 3 Milliarden Franken. Zudem wird der längst bekannte Systemfehler behoben, der zu Fehlentscheiden bei der Wahl der Behandlung beiträgt. Entsprechend gross ist der Support in der Branche. 23 namhafte Verbände stehen hinter EFAS. Und sie sagen Ja zu EFAS mit Integration der Pflege, sofern die Rahmenbedingungen verbindlich sind und Klarheit bezüglich OKP-pflichtiger Kosten bringen.

curafutura appelliert daher an beide Kammern, sich für eine schlanke Lösung und klare Rahmenbedingungen bei der Integration der Pflege zu entscheiden. Zunächst wird der neu zusammen gesetzte Ständerat darüber befinden. Die Chancen für die Ausgestaltung einer Lösung mit den gewünschten finanziellen Effekten sind nach Ansicht von curafutura nach wie vor intakt. In der Debatte im Nationalrat in der Herbstsession wurde der klare Wille dokumentiert, EFAS zügig abzuschliessen. Es wäre ein grosser Fortschritt, wenn dies auch im Ständerat gelingen könnte. Und ein wichtiges Signal von der Politik an die Bevölkerung, dass gute Reformen im Gesundheitswesen allen Unkenrufen zum Trotz möglich sind.

Diskussion über Leistungskatalog muss geführt werden

Die mittlere Prämie für das Jahr 2024 steigt markant. Prämienzahlerinnen und -zahler bezahlen im nächsten Jahr im Durchschnitt 8.7 Prozent mehr. Der Anstieg hat sich abgezeichnet: Das zweite Quartal zeigte praktisch in allen Kostengruppen ein deutliches Wachstum. Leider hat das eidgenössische Departement des Innern (EDI) den Spielraum der unmittelbar zur Verfügung stehenden Kostendämpfungsmassnahmen unzureichend genutzt. Die Leidtragenden sind die Versicherten.

Die negative Prognose ist eingetroffen. Die mittlere Prämie steigt auf das kommende Jahr im Durchschnitt um 8.7 Prozent. «curafutura hat sich bis in letzter Minute dafür engagiert, dass die Margenrevision bei den Medikamenten vom eidgenössischen Departement des Innern EDI in die Revision bei den Medikamenten einfliesst», sagt curafutura-Direktor Pius Zängerle. So wäre eine unmittelbare Kostendämpfung von 60 Millionen Franken möglich geworden. Und als Auswirkung auf den Vertrieb von mehr Generika und Biosimilars hätten nochmals mehrere 100 Millionen Franken eingespart werden können. «Nun hat das EDI auf diese Kostendämpfung verzichtet – zumindest vorläufig. Das ist unverständlich angesichts der zusätzlichen Prämienlast für die Versicherten.»

Schon früh im Jahr hat sich abgezeichnet, dass die Entwicklung in die falsche Richtung läuft. Praktisch alle grossen Kostenblöcke verzeichnen ein deutliches Wachstum. «Umso wichtiger, Kostendämpfung dort vorzunehmen, wo sie ohne Abstriche an der Qualität zu realisieren ist – und erst noch einen Fehlanreiz behebt», so Zängerle. Im konkreten Fall ist es jener, dass der Apotheker oder Arzt mehr verdient am teuren Original als am günstigen Generikum.

EFAS und TARDOC bringen erhebliche Einsparungen

Auch weitere systemrelevante Reformen mit Kostendämpfungspotenzial sind schon Jahre unterwegs und immer noch nicht am Ziel. 1) Die einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (EFAS). Sie würde gemäss Berechnung des Bundesamts für Gesundheit eine Kostendämpfung in der Höhe von mindestens 1 Milliarde Franken bringen. 2) Auch der neue Arzttarif TARDOC, der den völlig veralteten TARMED endlich ersetzen soll, wird kostendämpfend wirken. Das Kostenneutralitätskonzept zum TARDOC garantiert eine unterdurchschnittliche Kostenentwicklung und bringt innerhalb von drei Jahren 600 Millionen Franken Einsparungen (Start 2025).

Debatte um Leistungen muss geführt werden: Wir leisten uns einen Vollausbau

Um die Prämienzahler zu entlasten, hat für curafutura die Diskussion über den Leistungskatalog in der obligatorischen Grundversicherung Potenzial. Denn dieser umfasst quasi 98 % aller Leistungen. «Wollen wir die Prämienzahler entlasten, müssen wir den Vollausbau hinterfragen, den wir uns aktuell leisten», so Zängerle. Auch gelte es, mit vereinten Kräften der Leistungserbringer, der Kostenträger und der Patientinnen und Patienten überflüssige oder gar schädliche Leistungen zu vermeiden.

Viele Reformvorschläge verschlechtern das System

Viele der nun vorgebrachten Reformvorschläge verschlechtern das aktuelle System. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie davon ablenken, dass mit der Margenrevision, mit EFAS und dem TARDOC noch Reformen in Schlussrunden sind, die demnächst endlich gelingen können. Sind sie im Trockenen und in Kraft gesetzt, wird Raum frei für neue Reformen, die das Potenzial haben, dass das Gesundheitssystem der Schweiz weiterhin zu den Besten der Welt gehört, aber auch bezahlbar bleibt.

Weiterhin werden jährliche Einsparungen von rund 100 Millionen Franken verpasst.

Der Einsatz von Biosimilars Medikamenten bleibt bescheiden und der Anstieg der Verschreibungen ist zu langsam. Medizinische Gründe können dies nicht erklären, insbesondere bei Ersttherapien, denn die Austauschbarkeit der Biosimilars mit dem entsprechenden Originalpräparat wurde nun auch durch Swissmedic bestätigt. Aufgrund des tiefen Einsatzes von Biosimilars werden im Jahr 2023 erneut 100 Millionen Franken Einsparungen verpasst. Umso unverständlicher ist es, dass das EDI letzte Woche die Revision des Margensystems bei Medikamenten aus der KVV/KLV-Revision gestrichen hat, denn dies hätte Fehlanreize gegen den Einsatz von Biosimilars beseitigt.

Swissmedic, das schweizerische Heilmittelinstitut, hat im Juni 2023 die Austauschbarkeit von Biosimilars und Referenzmedikament bestätigt. Mit der Zulassung eines Biosimilars bestätigt also Swissmedic, dass es möglich ist, Biosimilars mit ihren Referenzmedikamenten auszutauschen. Biosimilars und ihre teureren Referenzmedikamente erzielen eine gleich gute Wirkung und sind bei der Anwendung gleich sicher. Das ist eine Chance für die Kostendämpfung im Schweizer Gesundheitswesen, denn Biosimilars werden im Vergleich zu Referenzmedikamenten zu einem deutlich tieferen Preis angeboten.

Biosimilars sind eine wirksame Chance, um das Wachstum der Gesundheitskosten zu bremsen.

Im aktuellen Biosimilar Barometer werden Dynamiken des Biosimilar-Einsatzes in der Schweiz untersucht. Der Anstieg bei den Biosimilar-Verschreibungen ist nach wie vor verhalten. Beispielsweise ist der Mengen-Anteil von Adalimumab-Biosimilars mit 37% fast 4 Jahre nach Markteintritt weiterhin gering.

Ein wichtiger Grund dafür sind Fehlanreize, wie das aktuelle Schweizer Margensystem bei Medikamenten. Heute verdienen Apotheker und Ärzte in der Schweiz mehr, wenn sie ein teureres Medikament abgeben. Dies hemmt eine breitere Anwendung von Biosimilars, da diese durch diesen längstbekannten Fehlanreiz benachteiligt werden.

Fazit: Die Umsetzung grosser Einsparungen durch Biosimilars wird blockiert

Umso wichtiger ist es, dass der Fehlanreiz der Vertriebsmarge auf schnellstem Weg eliminiert wird. Solange Biosimilars nicht häufiger verschrieben werden, bleibt nämlich ein riesiges Einsparpotenzial ungenutzt. So werden nach wie vor rund 100 Millionen Franken zuviel ausgegeben – jährlich!

Und das Einsparpotenzial wird bis 2030 weiter wachsen: Zahlreiche Biologika stehen vor dem Ablauf ihres Patents, die Biosimilars sind in der Entwicklung. Ganz neu dazu gekommen ist Ranibizumab, ein Wirkstoff gegen Makuladegeneration. Insgesamt gibt es bis 2030 ein zusätzliches Einsparpotenzial im dreistelligen Millionenbereich.

Umso unverständlicher ist es deshalb, dass das EDI die Revision des Margensystems bei Medikamenten aus der KVV/KLV-Revision gestrichen hat und sich damit dem Auftrag des Parlament widersetzt hat. Die dadurch entgangenen Einsparungen in der Höhe von über 100 Millionen Franken jährlich, gehen zu Lasten der Prämienzahler.

Der Bundesrat hat wenige Tage vor Ankündigung höherer Krankenkassenprämien entschieden, kostendämpfende Massnahmen bei den Margen der Medikamente aufzuschieben. Mit der Revision der Margenordnung bei Medikamenten könnten zusätzlich zu den jetzt vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen sofort weitere 60 Millionen Franken eingespart werden. Hinzu kämen Einsparungen von mehreren hundert Millionen Franken durch die Förderung von Generika. Dieser Verzicht ist für curafutura unverständlich.

curafutura und ihre Mitglieder CSS, Helsana, Sanitas und KPT haben ein grosses Interesse, dass die Prämienzahlerinnen und –zahler wo immer möglich entlastet werden. Schliesslich wollen sie zufriedene Kundinnen und Kunden. Vor einem Jahr hat das eidgenössische Departement des Innern EDI eine von pharmaSuisse, FMH, H+ und curafutura unterstützte Reform bei den Vertriebsmargen der Medikamente für umsetzungsreif befunden. Der Departementsvorsteher und Bundespräsident Alain Berset hat aber heute die Margenrevision dem Bundesrat offenbar nicht zum Beschluss unterbreitet – trotz direkt kostendämpfendem Effekt auf die Prämien.

«Der Beschluss des Bundesrates, nur die Generikapreise zu senken, hat ohne Margenrevision eine kontraproduktive Wirkung: Die Abgabe von Originalpräparaten wird noch gefördert, weil die Margen der Generika gesenkt werden, während diejenigen der Originalpräparate gleich hoch bleiben», sagt Pius Zängerle, Direktor von curafutura. Der Fehlanreiz bleibt bestehen, anstatt dass auch in der Schweiz endlich mehr Generika und Biosimilars eingesetzt werden.

Mehr Generika dank Revision der Margenordnung

Die Revision der Margenordnung bei Medikamenten hätte mit einer Senkung der Vertriebsanteile sofortige Einsparungen in der Höhe von insgesamt 60 Millionen Franken gebracht. Hinzu kämen zusätzliche Einsparungen von mehreren hundert Millionen Franken dank eines breiteren Einsatzes von Generika und Biosimilars als Folge der deutlich verringerten Fehlanreize. Die Revision sah vor, den längst bekannten Fehlanreiz zu reduzieren: Heute verdienen Apotheker und Ärzte in der Schweiz mehr, wenn sie ein teureres Medikament abgeben.

Jetzt kommt es vorläufig zu keiner Margenrevision, weil das EDI dem Gesamtbundesrat nur die anderen Teile der Revision KVV/KLV zu den Medikamenten vorlegte.

Der Teil der Reform zum Off-Label-Use wird kostentreibend wirken

Nach Ansicht von curafutura wird unter dem Schlagwort «mehr Gleichwertigkeit» bei der Beurteilung von Gesuchen für die Einzelfallbeurteilung im Off-Label-Use mit deutlichen Mehrkosten zu rechnen sein. «Angesichts der von allen erwarteten deutlichen Prämiensteigerung auf das kommende Jahr ist das aus Sicht Krankenversicherer ernüchternd», sagt Pius Zängerle, Direktor von curafutura.

Der Dachverband findet den Entscheid des Eidgenössischen Departements des Innern und des Gesamtbundesrates aus folgenden Gründen irritierend: 1) Das Parlament hat 2020 mit einer Motion verlangt, dass die Reform als Gesamtpaket so schnell wie möglich erfolgt. 2) Eine fixfertige Lösung mit breiter Abstützung war auf dem Tisch. Es trägt nicht zur Vertrauensbildung bei, wenn das EDI einen Kompromiss, den es selber in die Diskussion eingebracht hat und der schriftlich gegenüber den Akteuren kommuniziert wurde, in letzter Minute zurückzieht. Der vertagte Entscheid erfolgt auf Kosten der Prämienzahlerinnen und -zahler. 3) Bundesrat Alain Berset argumentiert gegenüber den Akteuren, dass ein erweiterter Runder Tisch in wenigen Tagen zum Erfolg führen soll. Es wäre aussergewöhnlich, wenn dies gelingt.
curafutura zählt nun darauf, dass der Bundespräsident und der Bundesrat die Revision der Margenordnung mit hoher Priorität zu Ende führen, um den Auftrag des Parlaments und die abgegebenen Versprechen zu erfüllen.

curafutura wird sich weiterhin konstruktiv für mehr Generika und Biosimilars in der Schweiz einsetzen und ist unermüdlich daran, sich für geschickte, tragfähige und kostendämpfende Reformen zu engagieren. Dazu gehören nebst der Medikamentenreform auch die einheitliche Finanzierung EFAS und ein neuer Arzttarif TARDOC, wenn möglich mit Pauschalen.

Die BVV 2.0 wurde an die neuen gesetzlichen Anforderungen angepasst und ebnet den Weg zu einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung

curafutura und santésuisse haben die Branchenvereinbarung Vermittler vor dem Hintergrund der jüngsten Gesetzesrevision weiterentwickelt, um auch in Zukunft die hohe Qualität der Beratung durch Vermittler sicherzustellen und gleichzeitig willkommene Beratung weiterhin zu ermöglichen. Diese revidierte Branchenvereinbarung Vermittler – BVV 2.0 – erfüllt die neuen gesetzlichen Anforderungen des Bundesgesetzes über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit, welches im Dezember 2022 vom Parlament verabschiedet wurde. Dank der neuen Vereinbarung, die per 1. September 2023 in Kraft gesetzt ist, soll die Allgemeinverbindlichkeitserklärung schon per 1. Januar 2024 beantragt werden können.

Die Branchenvereinbarung Vermittler (BVV) ist seit dem 1. Januar 2021 in Kraft. Sie verbietet die telefonische Kaltakquise, legt verbindliche Qualitätskriterien fest und setzt einen Rahmen für die Höhe der an Vermittler ausgerichteten Provisionen. Im Dezember 2022 hat das Parlament ein neues Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit verabschiedet. Dieses schafft die gesetzliche Grundlage, um beim Bundesrat ein Gesuch zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung einer gesetzeskonformen BVV zu stellen.

Um die bisherige BVV entsprechend dem Willen des Parlaments (Gleichstellung interne/externe Vermittler; Rolle der Aufsichtskommission) auf das neue Vermittlergesetz auszurichten, wurde sie von den Krankenversicherern zusammen mit den beiden Verbänden curafutura und santésuisse überarbeitet.

Vergütung geregelt

Die bisherige Obergrenze für Provisionen in der Grundversicherung (70 Franken pro Abschluss) gilt für alle Vermittler. In der Zusatzversicherung sieht die BVV 2.0 vor, dass die Provisionen wirtschaftlich sein müssen. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit muss von der Aufsichtsbehörde – d.h. der FINMA – überprüft werden können. Auf Grund der unterschiedlichen Geschäftsmodelle der Versicherer und arbeitsrechtlicher Probleme kann nur auf diese Weise die vom Gesetzgeber verlangte Gleichstellung zwischen internem Vertrieb und externen Vermittlern erreicht werden, nicht jedoch mit der bisherigen Lösung (12 Monatsprämien).

Qualitätsstandards und Verbot der Kaltakquise gelten weiterhin

Im Übrigen bleiben die Regeln in der BVV 2.0 unverändert. Das Verbot der telefonische Kaltakquise gilt weiterhin und von den Vermittlern werden hohe Qualitätsstandards verlangt. Dadurch werden unerwünschte Telefonanrufe eingedämmt und eine kompetente Beratung gefördert.

Rechtliche Sanktionen ersetzen konventionelle Sanktionen

Das neue Gesetz sieht straf- und aufsichtsrechtliche Sanktionen bei Nichteinhaltung der Vorschriften vor. Das Parlament hat also die seit mehreren Jahren gestützt auf die bisherige BVV tätige Aufsichtskommission, die befugt ist, Sanktionen zu verhängen, nicht berücksichtigt. Um eine Situation zu vermeiden, in der ein Verstoss von zwei verschiedenen Instanzen (Aufsichtskommission und staatliche Behörde) doppelt geahndet wird, wird in der BVV 2.0 die Rolle der Aufsichtskommission neu geregelt. Anstelle der Aufsichtskommission tritt neu eine Meldestelle, die Meldungen über mögliche Verstösse gegen die Branchenvereinbarung zentral entgegennimmt. Sie wird keine Sanktionen verhängen.

Inkrafttreten der BVV 2.0 und Gesuch auf Allgemeinverbindlichkeitserklärung

Das Ziel beider Verbände ist es, dass das Gesuch auf Allgemeinverbindlicherklärung so schnell wie möglich gestellt werden kann. Der frühestmögliche Termin, die Allgemeinverbindlichkeit der BVV 2.0 für alle Versicherer verpflichtend einzuführen, ist der 1. Januar 2024. Hierfür braucht es den Anschluss von mindestens 66 % der Versicherten an die BVV 2.0.

Die Krankenversicherer können per 1. September 2023 oder später der neuen Branchenvereinbarung beitreten.

Die einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen – kurz EFAS – ist eine der umfassendsten und bedeutendsten Reformen des Schweizer Gesundheitssystems seit der Einführung des KVG. Die Vorlage befindet sich seit 14 Jahren im Parlament und geht in der Herbstsession 2023 im Nationalrat in die Differenzbereinigung. Eine breite Allianz von Vertretern der Gesundheitsbranche spricht ihre Unterstützung für EFAS und den Einbezug der Pflege aus. Ziel ist es, eine mehrheitsfähige Lösung zu verabschieden und so die Reform zuerst im Akutbereich zeitnah umzusetzen.

EFAS behebt bestehende Fehlanreize in der akuten Gesundheitsversorgung und führt zu mehr Effizienz, einer sinnvollen Verlagerung von stationär zu ambulant sowie zur Förderung der integrierten Versorgung. Darin sind sich die meisten Akteure des Gesundheitswesens einig. Die Allianz, die sich für EFAS einsetzt, wird denn auch immer grösser. Neben den Pflegeverbänden (ARTISET mit CURAVIVA, Spitex Schweiz, ASPS und senesuisse) sind vier weitere gewichtige Verbände hinzugekommen: economiesuisse, scienceindustries, SW!SS REHA sowie die Verbindung der psychiatrisch-psychotherapeutisch tätigen Ärztinnen und Ärzte der Schweiz (FMPP).

Ja zu EFAS mit Pflege unter klaren Bedingungen

Vier Jahre nach seiner Erstberatung von EFAS wird der Nationalrat in der Herbstsession 2023 die Vorlage erneut beraten. Der Ständerat hat bereits in der Wintersession 2022 die Integration der Pflegeleistungen vier Jahre nach Inkrafttreten von EFAS beschlossen. Nun hat sich auch die nationalrätliche Gesundheitskommission für deren Einbezug ausgesprochen. Sie will diese jedoch flexibel und unter klaren Bedingungen integrieren.

Die EFAS-Allianz unterstützt den Entscheid der vorberatenden Gesundheitskommission des Nationalrats. Wichtigste Bedingung ist, dass die notwendige Transparenz über die OKP-pflichtigen Kosten und damit einhergehend eine eindeutige Abgrenzung der Pflege- von den Betreuungsleistungen gegeben sein muss. Damit wird die Grundlage zur Berechnung der Auswirkungen des Einbezugs der Pflege auf die Prämien geschaffen. Schliesslich soll keine Überwälzung der Kosten auf die Prämienzahlenden stattfinden. Die von der vorberatenden Kommission beschlossene Bedingung hingegen, dass vor Einbezug der Pflege die Volksinitiative «Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)» vollständig umgesetzt sein soll, stellt aus Sicht der Allianz eine unnötige, rechtlich problematische zusätzliche Hürde dar.

Mit EFAS wird die alleinige Rechnungsprüfung und -vergütung durch die Krankenversicherer zu einer Vereinheitlichung und Vereinfachung des heutigen Finanzierungssystems führen. Die Haltung der nationalrätlichen Gesundheitskommission, wonach die Rechnungskontrolle ausschliesslich den Versicherern obliegen soll, wird daher unterstützt. Um bei einem Systemwechsel die heutigen doppelten Abwicklungsprozesse zu eliminieren, sollten konsequenterweise nur die Versicherer Zugang zu Originalrechnungen erhalten.

Auch aus Datenschutzgründen ist es heikel, sensible Personendaten der Versicherten in nicht anonymisierter Form bei mehreren Instanzen verfügbar zu machen. Die Kantone als wichtige Akteure sollen und können das Leistungscontrolling, wie es bereits heute der Praxis entspricht, mit direktem Reporting und statistischen Daten sicherstellen.

Die Allianzpartner setzen sich weiterhin für einen gutschweizerischen Kompromiss ein, ohne den eine grosse Reform wie EFAS nicht gelingen kann. Sie rufen das Parlament und alle beteiligten Akteure dazu auf, die tragfähige Lösung der inzwischen ausgereiften Systemreform zu unterstützen und nicht mit neuen, unausgereiften Forderungen weiter zu verzögern oder gar zu gefährden. Mit EFAS gelingt es, endlich einen grossen Fehlanreiz im Schweizer Gesundheitssystem zu beseitigen und alle medizinischen und pflegerischen Leistungen, ob ambulant oder stationär durchgeführt, «aus einer Hand» zu finanzieren.

Informationen zu EFAS:

https://www.pro-efas.ch/de/

Auskünfte:

Längerfristig ist eine politische Debatte über den Umfang und die kontinuierliche Erweiterung des Leistungskatalogs der Grundversicherung unerlässlich

«Die Zeit der Diagnose ist vorbei, jetzt muss die Systemtherapie folgen», betonte curafutura-Präsident Konrad Graber am Jahresmediengespräch heute Dienstag. Die wirksamen Massnahmen sind bekannt: Erstens: Einheitliche Finanzierung EFAS. Zweitens: Revision des Arzttarifs. Drittens: Vermehrte Verwendung von Generika. curafutura fordert die Politik auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und diese drei Reformen, die zusammen ein Sparpotenzial von mehreren Milliarden Franken darstellen, rasch umzusetzen. Längerfristig ist eine Debatte über den Umfang des Leistungskatalogs der Grundversicherung notwendig, da dieser seit Inkrafttreten des KVG stetig ausgeweitet wurde. Das ist stark kostentreibend.

«Die Kostenentwicklung in der Grundversicherung ist derzeit besorgniserregend», sagte curafutura-Direktor Pius Zängerle. Praktisch alle Kostengruppen weisen in den letzten zwölf Monaten einen markanten Anstieg auf. curafutura fordert die Politik auf, angesichts dieser Entwicklung zu handeln und die drei grossen Reformen des Gesundheitssystems prioritär umzusetzen. Ohne sie werde man bei neuen Ideen immer wieder über ihre fehlende Realisierung stolpern und in der Tendenz scheitern, weil sie quasi das Fundament des Gesundheitssystems bildeten und die wichtigsten Fehlanreize verhindern.

«Es ist durchaus möglich, das Gesundheitssystem zu reformieren und zu verbessern, aber dazu müssen alle politischen Ebenen ihre Verantwortung wahrnehmen», betonte Konrad Graber, Präsident von curafutura. Zunächst hat das Parlament die Gelegenheit, die Reform der einheitlichen Finanzierung von ambulant und stationär EFAS bis Ende 2023 zu verabschieden. EFAS wird seit 14 Jahren diskutiert und hat ein geschätztes Sparpotenzial von 1 bis 3 Milliarden Franken.

Zweitens hat der Bundesrat die Kompetenz, die neuen ambulanten Arzttarife zu genehmigen und somit den TARMED zu ersetzen. Das Gesuch um Genehmigung des TARDOC wird dem Bundesrat bis Ende 2023 eingereicht. Dank seines strengen Konzepts der Kostenneutralität ermöglicht der TARDOC in den ersten drei Jahren nach seinem Inkrafttreten eine Kostendämpfung in Höhe von 600 Millionen Franken.

Schliesslich fordert curafutura den Bundesrat und das Eidgenössische Departement des Innern auf, die Revision der Vertriebsmargen für Medikamente per 1. Januar 2024 in Kraft zu setzen. Das aktuelle System schafft Anreize für Ärzte und Apotheker, Originalmedikamente anstelle von günstigeren Generika abzugeben. Die Reform, mit der der Bundesrat bereits 2009 in einer Motion beauftragt wurde, spart durch die häufigere Substitution von Originalmedikamenten durch Generika mehrere hundert Millionen Franken pro Jahr. 

Langfristig: Debatte über den Leistungskatalog

«Neben diesen drei Reformen, die rasch beschlossen werden können, wird längerfristig auch eine Diskussion über den Leistungskatalog der Grundversicherung notwendig sein», sagte Dr. Andreas Schönenberger, CEO von Sanitas und curafutura-Vorstandsmitglied. Der Leistungskatalog wurde seit Inkrafttreten des KVG stetig erweitert. Diese Ausweitung der übernommenen Leistungen trägt zum Kostenanstieg bei. «Es kann nicht sein, dass die Politik ständig neue Leistungen bestellt und sich danach über die Mehrkosten beklagt.»

Darum geht es

Mit 277 Spitälern an 581 Standorten (BFS 2021) hat die Schweiz eine der höchsten Spitaldichten der Welt. Mehr als ein Drittel der Kosten der obligatorischen Krankenpflege werden in den Spitälern verursacht. Oftmals befinden sich in einem Kanton mehrere Spitäler mit demselben Angebot. Die Kompetenz zur Spitalplanung obliegt gemäss der Bundesverfassung den Kantonen. Das KVG regelt, dass die Kantone im Rahmen dieser Planung die Zulassung der Spitäler zur obligatorischen Krankenpflegeversicherung mittels Spitallisten (Leistungsaufträge) steuern und dabei die Planungskriterien gemäss der Krankenversicherungsverordnung (KVV, Artikel 58a bis Artikel 58e) berücksichtigen. Mit der Inkraftsetzung des Massnahmenpakets 1b per 1. Januar 2024 wird zudem ein Beschwerderecht der Versicherer gegen die kantonalen Spitallisten eingeführt (Art. 53 Abs. 1bis KVG). Die Spitalplanung hat das Ziel, eine bedarfsgerechte, qualitativ hochstehende und wirtschaftliche Spitalversorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

Das sind die Fakten

(1) Regionale Spitalplanung

Auf seiner Spitalliste führt jeder Kanton jene Spitäler auf, welche die stationäre Versorgung der Kantonsbevölkerung gewährleisten. Die sogenannten Leistungsaufträge definieren dabei, welche medizinischen Leistungen ein Spital zulasten der OKP erbringen kann. Im Bereich der hochspezialisierten Medizin werden Leistungsaufträge nicht kantonal, sondern gesamtschweizerisch in einem Bewerbungsverfahren auf spezialisierte Krankenhäuser verteilt.

Gemäss Gesetzgeber sind die Kantone angehalten, ihre Planungen untereinander zu koordinieren. Dies mit dem klaren Ziel, Überversorgung zu vermeiden, Kosten einzudämmen und die notwendige Qualität zu sichern. Abgesehen von wenigen und räumlich eng begrenzten Kooperationen (bspw. gemeinsame Spitalplanung beider Basel oder die diversen Kooperationen in der Zentralschweiz)  findet eine derartige interkantonale Koordination der Spitalplanung bis heute kaum statt. Geleitet von überwiegend standort- und wirtschaftspolitischen Interessen bleibt die Planung weitestgehend auf das Innere der Kantonsgrenzen beschränkt und die Strukturen bleiben erhalten. Der Expertenbericht von 2017 bestätigt, dass die Spitalplanung in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern relativ kleinräumig erfolgt Die regionale Spitalplanung mit überkantonalen Spitallisten-Regionen würde hingegen eine bessere Koordination der Kantone sicherstellen. Mittelfristig wären laut dem Expertenbericht jährliche Einsparungen im dreistelligen Millionenbereich zu erwarten (S. 54).

Für curafutura ist es daher dringend notwendig, bestehende Interessenkonflikte zu lösen, um unter Berücksichtigung der Versorgungssicherheit eine sinnvolle, koordinierte und dem tatsächlichen Bedarf entsprechende Spitalplanung auf überkantonaler Ebene herbeizuführen. Denn eine bedarfsgerechte Spitalplanung führt zu positiven Auswirkungen: Unter anderem kann durch die Schaffung von Kompetenzzentren die Qualität verbessert werden. Eine effizientere Verwaltung der Spitäler, der Abbau von Überkapazitäten und eine höhere Qualität führen zur Senkung der Versorgungskosten. Eine Verbesserungsmöglichkeit für eine koordinierte Spitalplanung gibt es beispielsweise bei den Anforderungen für die Aufnahme auf die Spitalliste. Der Kanton Zürich hat 2012 als erster Kanton die Aufnahme auf die Spitalliste an gewisse Anforderungen (bspw. Qualität, Wirtschaftlichkeit und medizinische Erreichbarkeit) geknüpft. Für die Zukunft sollten jedoch alle Kantone bzw. mehrere Kantone gemeinsam klare Anforderungen definieren, damit für jedes Spital die gleichen Voraussetzungen für die Aufnahme gelten.

(2) Mindestfallzahlen

Mindestfallzahlen sind insbesondere im Bereich der (hoch)spezialisierten Gesundheitsleistungen ein wichtiges Instrument zur Sicherstellung der Qualität. Deshalb setzt sich curafutura dafür ein, dass komplexe und teure Eingriffe nur bei Erreichen einer bestimmten Mindestfallzahl durch die OKP finanziert werden. Gewisse Kantone wie Basel-Landschaft und Basel-Stadt sowie Zürich haben die Mindestfallzahlen längst in ihre Spitalplanungen integriert. Gemäss curafutura soll schweizweit definiert werden, welche Standards bei der Festlegung der Mindestfallzahlen zu berücksichtigen sind. Es ist von Bedeutung, dass die Grundlagen und die Ziele für die Festlegung von Mindestfallzahlen offengelegt werden. Die Wirkungen von Mindestfallzahlen auf Qualität, Wirtschaftlichkeit, Zugang zu Leistungen und auf die Versorgungsstruktur muss laufend evaluiert werden. curafutura setzt sich dafür ein, dass die Ergebnisse zwingend Eingang in die Leistungsaufträge finden. Weiter sollen bei Nichterreichung der Mindestfallzahlen provisorische Leistungsaufträge ausschliesslich im Falle einer drohenden Unterversorgung und längstens für ein Jahr erteilt werden.

(3) Rekursrecht der Krankenversicherer gegen Spitalplanungen

curafutura begrüsst die Einführung eines Beschwerderechts für Versicherer gegen die kantonalen Spitallisten gemäss Art. 53 Abs. 1bis KVG, welches ab dem 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Es geht darum, dass die Krankenversicherer als Mitfinanzierer und Vertreter der Versicherten ein Mitspracherecht haben, notabene in einem Bereich, in dem sie die finanzielle Entwicklung massgeblich mittragen. Dies wird nach der Umsetzung der EFAS-Vorlage umso wichtiger, da der Finanzierungsanteil der Versicherer an den Spitalkosten grösser als jener der Kantone sein wird. Mit dem Beschwerderecht erhalten die Versicherer ein Instrument, um bei Fehlplanungen Korrekturen anzustossen. Es gilt jedoch zu beachten, dass die eigentliche Planungs- und Aufsichtsaufgabe bei der Spital- und Pflegeheimplanung weiterhin den Kantonen obliegt und nicht den Krankenversicherern.