Der Bundesrat hat am Dienstag die Prämien für 2023 bekannt gegeben. Diese steigen im Durchschnitt um 6,6 Prozent. Der Prämienanstieg spiegelt den Kostenanstieg wider, der insbesondere durch einen Nachholeffekt bei jenen Eingriffen verursacht wurde, die während der Pandemie verschoben worden sind. Allerdings hätte man es in der Hand gehabt, immerhin bei den grossen Reformen vorwärts zu machen, um grobe Fehlanreize im System auszumerzen. curafutura fordert deshalb den Bundesrat, das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) und das Parlament auf, die Verantwortung wahrzunehmen und die Revision des Arzttarifs durch den TARDOC, die einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (EFAS) sowie die Beseitigung der Fehlanreize bei den Vertriebsmargen der Medikamente tatkräftig zu unterstützen und rasch zu realisieren.

Das Kostendämpfungspotenzial der beiden vom Bund angestossenen Massnahmenpakete ist nicht bekannt und mehr als fraglich. Der Kostendämpfungseffekt der wichtigsten Reformen hingegen ist beträchtlich und hätte bereits jetzt einen Kostenbremseffekt erzielt. Umso unverständlicher ist es, dass diese immer wieder verschoben werden.

Wäre der neue Arzttarif TARDOC 2021 in Kraft getreten, hätte er Einsparungen von über 500 Millionen Franken ermöglicht. Das Kostenneutralitätskonzept zum TARDOC schreibt einen maximalen Anstieg von +3% pro Jahr im ambulanten Bereich vor. Für 2021 lag der Kostenanstieg bei +9%, wobei ein überproportionaler Anteil in den Spitalambulatorien zu verzeichnen ist.

Mit der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) könnte mindestens 1 Milliarde Franken eingespart werden. Diese Reform ist leider seit 2019 im Ständerat hängig.

Schliesslich würde die Revision des Systems der Vertriebsmargen für Arzneimittel den Anteil der Generika erhöhen. Dieser ist in der Schweiz mit einer Quote von etwa 20% immer noch sehr niedrig ist. Die Revision der Vertriebsmargen für Medikamente hätte unmittelbare Einsparungen von 60 Millionen Franken zur Folge. Hinzu kämen Einsparungen in Höhe von mehreren hundert Millionen Franken durch die Substitution von Originalmedikamenten durch Generika und Biologika.

Zusammen haben diese drei zentralen Reformen ein Kostendämpfungspotential von über 5% des Prämientotals, das derzeit ungenutzt brachliegt.

Reserven: Schluss mit der sterilen Polemik

Die Solvenzquote ist innerhalb eines Jahres von durchschnittlich 207% auf 163% gesunken. Infolgedessen waren es berechtigte Warnungen der Versicherer, wonach die Reserven naturgemäss volatil sind aufgrund von sich Jahr für Jahr ändernden Risiken.

Angesichts dieser Situation ist curafutura der Ansicht, dass weitere politische Massnahmen, die Reserven zu senken oder zu erhöhen, kontraproduktiv und gefährlich sind. Es zeigt sich nun, dass es sinnvoller gewesen wäre, in diesem Jahr mehr Spielraum zu haben, um den Prämienanstieg 2023 zu dämpfen, anstatt die Versicherer im vergangenen Jahr zum Reservenabbau zu drängen und die Prämien 2022 möglichst knapp zu kalkulieren, nachdem die Prämienentwicklung damals recht flach war.

Das Gesetz über die Tätigkeit von Vermittlern in der Krankenversicherung sollte ursprünglich nur die Möglichkeit bieten, die Branchenvereinbarung für allgemeinverbindlich zu erklären, wie aus der Motion 18.4091 klar hervorgeht. Der Ständerat weicht von diesem Ziel ab und will nun Angestellte der Versicherer und externe Vermittler den gleichen Regeln unterwerfen, obwohl ihre Situation überhaupt nicht vergleichbar ist. curafutura und santésuisse bedauern diesen Entscheid, der keine Verbesserung der Situation für die Konsumenten bringen wird und in der Praxis unmöglich umsetzbar ist.

Die Branchenvereinbarung über Vermittler in der Krankenversicherung verbietet Kaltakquise, legt Qualitätsstandards für Krankenversicherer und für Vermittler fest und begrenzt die Provisionen für Vermittler. Unter diesen Regeln gelten das Verbot von Kaltakquise und die Qualitätsstandards bereits für Angestellte der Versicherer.

Bei der Begrenzung von Provisionen wird aus gutem Grund ein Unterschied gemacht. Die Mitarbeitenden der Versicherer sind nämlich Angestellte und es ist daher nicht möglich, auf sie eine Regelung für Provisionen anzuwenden, die externe Vermittler pro abgeschlossenem Vertrag erhalten. Darüber hinaus erfüllen die Angestellten der Versicherer verschiedene Aufgaben und sind nicht nur für den Verkauf zuständig. Ein Rechtsgutachten kommt zum Schluss, dass eine Gleichstellung von externen Vermittlern und Angestellten der Versicherer nicht gerechtfertigt ist, gegen verfassungsrechtliche Grundsätze verstösst und problematische arbeitsrechtliche Auswirkungen haben würde.

Aus diesen Gründen fordern curafutura und santésuisse den Nationalrat auf, an seiner bisherigen, vernünftigen Position festzuhalten. Der Nationalrat hatte sich im Frühjahr für einen Unterschied zwischen externen Vermittlern und Angestellten der Versicherer ausgesprochen.

Nach der Pandemie bleibt die Nachfrage nach Impfungen in Apotheken gross. Die Versicherer von curafutura und SWICA sowie die Einkaufsgemeinschaft HSK haben sich mit pharmaSuisse auf die neue Leistung «Impfen in Apotheken» geeinigt. Neu soll das Impfen in Apotheken über die Grundversicherung abgerechnet werden, und zwar ohne Rezept. Die Tarifpartner haben die entsprechenden Verträge beim Bundesrat zur Genehmigung eingereicht.

Mit dem neuen Angebot wollen die Tarifpartner ein unkompliziertes Angebot der pharmazeutischen Dienstleistung «Impfen in Apotheken» ermöglichen. Über 1200 Apotheken bieten aktuell Impfungen an. Viele Versicherte haben sich in Apotheken gegen Covid-19, Grippe oder Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) impfen lassen. Die Nachfrage ist spürbar gestiegen.

Höhere Durchimpfungsrate
Der niederschwellige Zugang zu Impfleistungen ist ein Bedürfnis der Versicherten. Die Tarifpartner versprechen sich durch den vereinfachten Zugang eine höhere Durchimpfungsrate und somit eine bessere Volksgesundheit. pharmaSuisse und die Krankenversicherer von curafutura (CSS, Helsana, Sanitas und KPT) sowie SWICA haben gemeinsam eine Tarifstruktur erarbeitet, die Einkaufsgemeinschaft HSK sowie CSS und SWICA haben sich mit pharmaSuisse auf einen Tarif einigen können. Dieser liegt bei 25 Franken für den Impf-Akt (exkl. Impfstoff).

Neu ohne ärztliches Rezept

Heute werden die Kosten für den Impfstoff in der Apotheke von der Grundversicherung nur übernommen, wenn eine Ärztin oder ein Arzt ein Rezept dafür ausgestellt hat. Neu soll Impfen in Apotheken über die Grundversicherung abgerechnet werden können – und zwar der Impfstoff und das Impfen. Die neue Tariflösung benötigt die Genehmigung des Bundesrates. Gibt dieser grünes Licht, tritt die neue Lösung per 1. Januar 2023 in Kraft. Sie gilt für die Versicherer CSS, Helsana, Sanitas, KPT und SWICA. Weitere Versicherer können sich dem Vertrag anschliessen. Damit geimpft werden darf, muss die Apothekerin oder der Apotheker über einen Fähigkeitsausweis zum Impfen verfügen.

Josef Dittli hat sich entschieden, nochmals für den Ständerat zu kandidieren. Um sich voll und ganz auf diese Aufgabe konzentrieren zu können, wird der 65-jährige Urner per 31. Mai 2023 als Präsident von curafutura zurücktreten. curafutura bedauert diesen Schritt von Josef Dittli sehr, versteht aber seinen Wunsch, sich auf das Amt als Ständerat zu fokussieren.

Josef Dittli hat den Vorstand von curafutura darüber informiert, dass er im Falle einer Wiederkandidatur für den Ständerat sein Verbandspräsidium aus zeitlichen Gründen per Ende Mai 2023 abgeben möchte. «Wir bedauern diesen Entscheid sehr, können ihn aber nachvollziehen», sagt Pius Zängerle, Direktor von curafutura.

Josef Dittli ist ein Brückenbauer und hat wichtigen Reformvorhaben wie der einheitlichen Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (EFAS) entscheidende Impuse verliehen. Während seiner Präsidialzeit konnte auch der neue Arzttarif TARDOC gemeinsam mit den Kooperationspartnern FMH, MTK und SWICA zu einem Reifegrad gebracht werden, der gemäss Bundesrat genehmigungsfähig ist. «Wir danken Josef Dittli bereits heute für seine wertvolle Unterstützung und wünschen ihm viel Erfolg im kommenden Wahlkampf», sagt Pius Zängerle, Direktor von curafutura.

Der Vorstand wird nun die Nachfolgeregelung an die Hand nehmen.

Die Versicherer (curafutura mit SWICA), die Ärzteschaft (FMH/APA) sowie die Apotheken (pharmaSuisse) haben ein gemeinsames Tarifierungspaket geschnürt, welches zum Ziel und Inhalt hat, (1) Fehlanreize im System zu reduzieren, (2) die Durchdringung von Generika und Biosimilars zu erhöhen, (3) die Qualität bei der Medikamentenabgabe zu erhöhen und (4) somit längerfristige Einsparungen in massgeblicher Höhe zu realisieren. Das Tarifierungspaket besteht aus folgenden drei Teilen:

1. Anreizneutrale Vertriebsanteile (Art. 38 KLV)

Zur Förderung von Generika und Biosimilars setzen sich die Tarifpartner für die Einführung einer anreiz- neutralen Vertriebsmarge bei den Medikamenten (gemäss Mo. SGK-N 20.3936) ein. Apothekerinnen und Apotheker sowie Ärztinnen und Ärzte sollen für Logistikleistungen sachgerecht vergütet werden und nicht in Abhängigkeit von der Höhe der Medikamentenpreise. Demnach sollen die Vertriebsanteile (Art. 38 KLV) so revidiert werden, dass sie den effektiv angefallenen Vertriebskosten (Art. 67, Abs. 1quarter, Bst. a KVV) entsprechen: Mit einem Fixbetrag von 9.10 Franken, einem Prozentzuschlag von 3 Prozent und einem ma- ximalen Zuschlag von 300 Franken pro Packung wird diese Anreizneutraliät erreicht. Dadurch werden die Fehlanreize bei den Leistungserbringern, höherpreisige Medikamente abzugeben, reduziert. Mit der Mar- genanpassung werden im Apotheken- und Ärztekanal rund 515 Mio. CHF entzogen (Jahr 2021). 465 Mio. CHF sollen einer leistungsgerechten Tarifierung zugeführt, 50 Mio. CHF eingespart werden. Mittelfristig sind durch die Systemwirkungen zusätzliche Einsparungen zu erwarten.

2. Apothekertarif: Revision und Ausbau der Leistungsorientierte Abgeltung (LOA)

Am 14. Mai 2020 haben curafutura (mit den Einkaufsgesellschaften HSK, CSS und unter Beteiligung der SWICA) und pharmaSuisse gemeinsam dem Bundesrat die Revision des Tarifs der Leistungsorientierten Abgeltung für Apothekerleistungen (LOA V) eingereicht. Die Tarifstruktur basiert auf Leistungen, die mit- tels Zeitmessungen und betriebswirtschaftlichen Kostendaten bewertet wurden. Dabei zeigte sich, dass die heutige LOA IV.1 nicht sachgerecht (d.h. zu tief angesetzt) ist und nur ein Teil der Leistungen der Apo- theken abgilt. Ein bedeutender Teil des Einkommens erwirtschaften die Apotheken durch zu hohe Ver- triebsanteile. Entsprechend soll der Ertrag aus dem Vertriebsanteil um rund 325 Mio. (Jahr 2021) redu- ziert und die Tarifierung der Apothekerleistung in LOA V um etwa 295 Mio. CHF erhöht werden (Sparbei- trag 30 Mio. CHF).

3. Medikamentenabgabe im Arztkanal: Einführung eines neuen Tarifs «Arzneimittelabgabe durch Ärz- tinnen und Ärzte» (AMA)

Die Leistung bis zur Erstellung eines Rezepts ist bei SD-Arzt und Nicht-SD-Arzt identisch und wird mittels ärztlich ambulantem Tarif TARMED (voraussichtlich ab 1. Januar 2024 TARDOC) abgegolten. Die Leistung der Medikamentenabgabe beginnt nach der Konsultation. Die Dienstleistung umfasst das Heraussuchen des oder der Medikamente in der Praxisapotheke, Kontrolle 4-Augenprinzip, Beschriften und Erfassen der Medikamente und der Dosierung im System und Interaktionscheck durch den Arzt. Diese Leistung wird heute ausschliesslich durch den Vertriebsanteil abgegolten. Analog zur Apothekerschaft soll ein separater, sachgerechter, Tarif gewährleisten, dass die richtigen Anreize zur Abgabe von preisgünstigen Arzneimit- teln gesetzt werden und die Medikamentenabgabe in hoher medizinischer Qualität erbracht wird. Es sol- len rund 190 Mio. CHF (Jahr 2021) aus der Vertriebsmarge entzogen und 170 Mio. CHF mittels neuem Ta- rif AMA vergütet werden (Sparbeitrag 20 Mio. CHF).

Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats (SGK-S) hat sich klar für Massnahmen in Richtung Kostenbremse und -steuerung ausgesprochen. Das ist bedauerlich und führt am Ziel vorbei. In jedem Fall gilt es, die Tarifpartnerschaft nicht zu untergraben. Das scheint den Kommissionsmitgliedern der kleinen Kammer bewusst zu sein. curafutura wertet dies als wichtiges Signal für die weitere Diskussion rund um Kosten.  

Kostenziele und -steuerung sind keine geeigneten Massnahmen gegen die steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen. Es handelt sich um top-down gesteuerte Eingriffe, die zu viel Bürokratie führen. Viel besser ist es, die Tarifpartner in die Verantwortung zu nehmen, so wie es das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) verlangt. Ein zu starkes Eingreifen führt vor allem zu Blockaden bei den Verhandlungen der Tarifpartner. Das ist nicht zielführend – im Gegenteil. Entsprechend bedauert curafutura die Stossrichtung der jetzt in der ständerätlichen Gesundheitskommission beschlossenen Massnahmen, die mit dem Eintreten auf den indirekten Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative und Massnahmen zum Kostendämpfungspaket 1b klar in Richtung mehr Regulierung gehen.

Nicht über Mass regulieren
Die SGK-S scheint sich der Gefahr einer zu starken Steuerung durch den Bund bewusst zu sein. Daher auch sieht sie – anders als der Nationalrat – davon ab, dass Bund- und Kantonsbehörden Eingriffsmöglichkeiten haben, sofern sich die Tarifpartner nicht einigen können. curafutura begrüsst diesen Entscheid. Es gilt nun abzuwarten, wie die weitere Debatte verläuft. Wir werden uns mit Sicherheit in die weitere Diskussion einbringen. Wichtigstes Ziel muss es sein, nicht über Mass durch den Staat zu regulieren, sondern gute Reformen wie EFAS und TARDOC umzusetzen, die die Kostensteigerung eindämmen ohne die Tarifpartnerschaft unnötig in Mitleidenschaft zu ziehen.

Der neue Leiter Tarife bei curafutura heisst Andrea R. Odermatt (54). Der Vater zweier Kinder und Staatswissenschafter HSG stösst per Mitte August zum Verband. Er übernimmt Ende September die Funktion von Mario Morger, der eine neue Herausforderung ausserhalb von curafutura annimmt. Andrea R. Odermatt wird in seiner Funktion Mitglied der Geschäftsleitung von curafutura.

Mit Andrea R. Odermatt übernimmt eine erfahrene Führungskraft die Leitung des Geschäftsbereichs Tarife bei curafutura. Der studierte Staatswissenschafter HSG, der unter anderem im Kanton Thurgau und in England aufgewachsen ist, war während vieler Jahre in verschiedenen Leitungsfunktionen im Pharmabereich tätig. Unter anderem leitete er für vier Jahre die «Apotheke Dr. Schmid AG» sowie die «Sanavision AG». Davor arbeitete er 9 Jahre lang für die WALA Schweiz GmbH, Bern – Komplementärmedizin & Naturkosmetik Dr. Hauschka und war dort ebenfalls in der Geschäftsleitung. Erfahrung aus Grossunternehmen bringt der neue Leiter Tarife aus seiner Tätigkeit bei Glaxo SmithKline Consumer Healthcare AG mit sowie aus seiner Zeit bei der Grupo FARMA, für die er in Venezuela das Geschäft verantwortete.

curafutura-Direktor Pius Zängerle und curafutura freuen sich sehr, mit Andrea R. Odermatt künftig jemanden an der Spitze des Teams Tarife und in der Geschäftsleitung zu wissen, der den Medizinalbereich gut kennt, marktorientiert arbeitet, über ein breites Wissen des Staatswesens verfügt und ausgewiesene Führungserfahrung – auch im internationalen Umfeld – mitbringt. «Andrea R. Odermatt bringt alle Voraussetzungen mit, die es braucht, um den Pharmabereich voranzubringen und gleichzeitig das Rüstzeug, um sich schnell in sämtliche Inhalte im Geschäftsbereich Tarife einzuarbeiten. Ich freue mich sehr, mit ihm und dem Team die grossen Herausforderungen im Gesundheitswesen zu bearbeiten.»

Mario Morger übernimmt eine neue Funktion bei SwissRDL am Institut für Präventiv- und Sozialmedizin der Universität Bern. Pius Zängerle und curafutura bedauern den Weggang von Mario Morger sehr und bedanken sich für die tolle, geleistete Arbeit für curafutura und das ganze Team in den vergangenen Jahren.

Der Nationalrat hat sich für die Einführung einer verbindlichen Obergrenze für die Reserven der Krankenversicherung ausgesprochen. Das angepeilte Ziel sind 150% der Solvenzquote. Unmittelbar nach diesem Entscheid zeigen neue Zahlen des Bundesrats: Die Solvenzquote ist im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozentpunkte gesunken. Damit bestätigt sich, was die Krankenversicherer seit langem sagen: Das Spiel damit ist heikel. Die Folgen eines zu starken Eingriffs sind negativ. Dafür gibt’s Beispiele aus der Ära Couchepin.

Der Nationalrat hat sich am 9. Juni für die parlamentarische Initiative Nantermod 20.463 ausgesprochen. Der Initiant schlägt die Einführung einer verbindlichen Obergrenze für Reserven vor und definiert diese bei 150% der Solvenzquote. In der Praxis bedeutete dies: Sobald die Reserven eines Versicherers dieses Niveau überschreiten, müssten sie im folgenden Jahr durch Rückzahlungen an die Versicherten reduziert werden, damit die Solvenzquote wieder unter 150% sinkt. Auf dem Papier mag die Idee harmlos und sogar sympathisch erscheinen, da die Versicherten vom Reservenabbau profitieren würden. Der Vorschlag wurde vom Nationalrat mit einer klaren Mehrheit angenommen, mit 107 Ja gegen 58 Nein bei einer Enthaltung.

Doch am nächsten Tag erinnerten neue Zahlen des Bundesrates daran, dass die Reserven in erster Linie ein technisches Instrument bleiben und dass diejenigen, die ein nach politischen Kriterien festgelegtes Korsett aufzwingen wollen, eher dem Zauberlehrling als Robin Hood nahe sind.

In seiner Antwort vom 10. Juni auf die dringliche Anfrage Lohr 22.1023 gibt der Bundesrat Auskunft über die Entwicklung der Solvenzquote zwischen 2021 und 2022. Diese Information ist für die hier behandelte Frage von entscheidender Bedeutung. So erfährt man, dass die durchschnittliche Solvenzquote der Versicherer von 207% im Jahr 2021 auf eine Spanne zwischen 140% und 170% im Jahr 2022 gesunken ist. Mit anderen Worten, es hat in nur einem Jahr einen Rückgang um circa 50 Prozentpunkte gegeben (207% auf 155%).

Darüber hinaus sollte der Grund für diesen Rückgang unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Laut der Antwort des Bundesrates ist der Grund für den Rückgang der Solvenzquote vor allem im gestiegenen versicherungstechnischen Risiko zu verorten. Daraus folgt: Die Solvenzquote ist nicht deshalb stark gesunken, weil sich die Höhe der Reserven stark verändert hat, sondern nur, weil sich einer der Parameter zur Berechnung der Solvenzquote verändert hat. Dies zeigt einmal mehr die hohe Volatilität der Solvenzquote, die neben dem versicherungstechnischen Risiko auch vom Kredit- und Marktrisiko abhängt. Wie schnell auch hier der Wind drehen kann, sehen wir aktuell.

Nachvollziehbare Begründung? Schwierig!

Vor diesem Hintergrund ist es schwer vorstellbar, mit welcher Begründung das Parlament an der  Idee einer verbindlichen Obergrenze für die Reserven auf der Grundlage einer Solvenzquote festhalten möchte, die naturgemäss von Jahr zu Jahr erheblichen Schwankungen unterliegt. Das beste Beispiel kennen wir aus der Ära Couchepin. Er erzwang eine Nullrunde, die später mittels Reserven kompensiert werden musste. Und aus der aktuellen Zeit: Man muss sich nur vorstellen, was in diesem Jahr passiert wäre, wenn der Ausgangspunkt nicht eine durchschnittliche Solvenzquote von 207%, sondern bei einer Quote von unter 150% gewesen wäre. Ein Rückgang um 50 Prozentpunkte hätte dann zu einer Solvenzquote unterhalb der Untergrenze von 100% geführt. Die Mehrheit der Versicherer hätte sich in der Illegalität wiedergefunden und wäre gezwungen gewesen, Reserven zu äufnen, indem sie die Prämien stärker als die Kosten erhöht hätten.

Jo-Jo-Effekt mit Folgen

Kurzum: Die Versuchung, eine verbindliche Obergrenze für die Reserven festzulegen, führt unweigerlich zu einem Jo-Jo-Effekt bei den Prämien. Es würde abwechselnd Jahre geben, in denen die Reserven reduziert werden müssten, was die Prämienlast senken würde, und andere Jahre, in denen neben der Deckung des Kostenanstiegs auch die Reserven wieder aufgefüllt werden müssten, was zu einem künstlichen Anstieg der Prämien führen würde.

Umgekehrt ermöglicht die aktuelle Situation den Versicherern, die Prämienentwicklung zu glätten. Sie können nämlich abwägen, ob es sinnvoll ist, Reserven abzubauen und Rückzahlungen an die Versicherten vorzunehmen, wenn sie über ausreichende Reserven verfügen. Sie führen diese Analyse mit einer langfristigen Perspektive durch. Das Hauptziel besteht darin, zu einer gleichmässigeren Entwicklung der Prämien beizutragen und den Auswirkungen der unregelmässigen Kostenentwicklung entgegenzuwirken. Diese unternehmerische Verantwortung sollte nicht durch politische Eingriffe zerstört werden.

Die Mitglieder von curafutura und SWICA haben eine Plattform entwickelt, die sie bei der Beurteilung der Einzelfallüberprüfung im Bereich Off-Label-Use unterstützt. Die Rückmeldung verschiedener Akteure aus der Gesundheitsbranche sind positiv. Bereits haben sich weitere grosse Versicherer der Plattform angeschlossen. Thomas Cerny, Vorstandsmitglieder der Krebsliga, bezeichnet die Entwicklung als Schritt in eine gute Richtung für die Versicherten. Die Akteure sind überzeugt von diesem Arbeitsinstrument, das das Potential hat, breit zur Anwendung zu kommen.

Gute Arbeitsinstrumente stossen in der Regel schnell auf Interesse. So geschehen bei der neuen Plattform «Smart-Rating», die im Auftrag von curafutura mit ihren Mitgliedern CSS, Helsana, Sanitas und KPT sowie SWICA im Off-Label-Use-Bereich erstellt wurde. Die Plattform stösst seitens verschiedener Akteure der Gesundheitsbranche auf viel Lob. Einer, der die Herausforderungen beim Off-Label-Use als Arzt kennt, ist Thomas Cerny, Vorstandmitglied der Krebsliga und Vizepräsident von OncoSuisse.  Er sagt: «Diese Plattform erleichtert den Vertrauensärzten der rund 60 Versicherer den klinischen Nutzen eines neuen Wirkstoffs noch besser abschätzen zu können.»

Onkologe Cerny: «Schneller eine Antwort»
Für ihn als Onkologe ist es wichtig, dass der Patient weiss: Die Gleichbehandlung jedes Gesuches ist jederzeit gewährleistet. Dank der neuen Plattform im Off-Label-Use «erhöhen die Versicherer die Chance, dass der Patient viel schneller eine Antwort erhält, ob das für ihn wichtige Medikament von seiner Versicherung bezahlt wird – ein Schritt in die richtige Richtung».

«Diese Plattform erleichtert den Vertrauensärzten der rund 60 Versicherer den klinischen Nutzen eines neuen Wirkstoffs noch besser abschätzen zu können.»
THOMAS CERNY, VORSTANDSMITGLIED DER KREBSLIGA

Regelmässiger Austausch

Einmal pro Woche beugen sich die Vertrauensärzte der mitwirkenden Versicherer über den Inhalt und tauschen sich aus. Die Dokumente enthalten keine persönlichen Daten, die heikel sein könnten; daher ist der Datenschutz jederzeit gewährleistet. Auf der Plattform sind wichtige Informationen über den klinischen Nutzen eines Wirkstoffs im gleichen klinischen Kontext gespeichert, die die Ärzte zur Beurteilung beiziehen. Weil es sich um eine Plattform für Fachinformationen handelt, ist diese auch nicht öffentlich. Stellvertretend für die an die Plattform angeschlossenen Versicherer sagt Vertrauensarzt Beat Kipfer von der KPT: «Die Arbeit ist für uns insgesamt befriedigender, weil wir unser Wissen laufend ausbauen und effizienter arbeiten können.»

Gegründet haben die Plattform die Versicherer von curafutura (CSS, Helsana, Sanitas und KPT) sowie SWICA. Sie – wie alle anderen Versicherer – bekamen in der Vergangenheit immer wieder zu hören, die Einzelfallbeurteilungen fielen zu wenig einheitlich aus. Schlagzeilen in Medien verfestigten teilweise diesen Eindruck. Zumal ein vom BAG in Auftrag gegebener Monitoringbericht auf Optimierungspotential im Bereich des Off-Label-Use hinwies.

Neu dabei auch Visana und Concordia

Die jetzige Lösung ist einfach, zweckmässig und befriedigend. Das zeigen die Rückmeldungen der Vertrauensärzte nach fünf Monaten Arbeit mit dem Tool, wobei vor allem neue Wirkstoffe und Anwendungen bei Indikationen mit noch unbefriedigenden Behandlungsresultaten beurteilt wurden. Die positive Entwicklung ist auf Interesse weiterer Versicherer gestossen. Zwei davon, Visana und Concordia, haben sich der Plattform bereits angeschlossen. Weitere dürften folgen. Das Interesse jedenfalls ist vorhanden. «Die Dynamik ist positiv. Versicherer erkennen das Bemühen, die Situation insgesamt noch einmal zu verbessern, da die Ratings für alle einsehbar sind und man sich darüber austauscht. Und je mehr Studienratings abgelegt sind, umso besser lässt sich mit der Plattform arbeiten», sagt Pius Zängerle, Direktor von curafutura. Aktuell sind bereits 90 Ratings dokumentiert.

Thomas Cerny könnte sich vorstellen, dass jene Versicherer, die nicht mit der Plattform arbeiten wollen, begründen müssen, warum sie den Alleingang bevorzugen. Nach Ansicht von curafutura-Direktor Pius Zängerle hat die Plattform in jedem Fall das Potential, bei allen Versicherern zur Anwendung zu kommen. Ziel sei es, möglichst viele Akteure auf die Plattform zu bringen. „Es ist eine Win-Win-Situation für die Patientinnen und Patienten und somit auch für die Versicherten.»

Heute vergüten die Krankenversicherer im Rahmen von Einzelfallbeurteilungen unter gewissen Voraussetzungen auch Arzneimittel, die nicht auf der Liste der über 3200 kassenpflichtigen Medikamente stehen oder ausserhalb der zugelassenen Indikationen eingesetzt werden. Der behandelnde Arzt kann ein entsprechendes Gesuch bei der Versicherung des Patienten stellen. Sind die gesetzlichen Bedingungen (Art. 71 a-d KVV) erfüllt, werden die Kosten aus der Grundversicherung von der Krankenversicherung übernommen. In den letzten Jahren haben immer mehr Patientinnen und Patienten von dieser Möglichkeit profitiert, zum Beispiel bei neuen Krebstherapien. 2019 wurden 38’000 Gesuche behandelt; rund 80 Prozent werden bewilligt. Zu den Kriterien gehören: Es handelt sich um eine lebensbedrohliche oder stark invalidisierende Krankheit mit fehlender Behandlungsmöglichkeit. Mit der Behandlung durch den Wirkstoff kann für den Patienten ein hoher Nutzen erwartet werden. Die Behandlung ist wirtschaftlich, das heisst es besteht ein angemessenes Kosten-Nutzenverhältnis.

Auch das BAG hat den Off-Label-Use auf dem Radar – unter anderem will Bund will mit einer Aktualisierung der Verordnungen zur Einzelfallbeurteilung gewisse Optimierungen vornehmen. 
 

Das Wort Krise setzt sich im Chinesischen aus zwei Schriftzeichen zusammen – das eine bedeutet Gefahr und das andere Gelegenheit. Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem nicht im Zusammenhang mit dem Prämien-Herbst die Krise heraufbeschworen wird. Nimmt man die Zahl der umsetzungsfähigen Lösungen zum Gradmesser, kann es noch nicht so schlimm um unser System bestellt sein. Diese lassen sich an einer Hand abzählen.

Die einzige Lösung, die in einem halben Jahr startklar wäre und das erst noch in einem Bereich mit einem Volumen von jährlich wiederkehrenden 12 Milliarden Franken, ist der ambulante Arzttarif TARDOC. Und ausgerechnet dieses Tarifwerk muss noch einmal auf die Ehrenrunde. Und das trotz eines Formstandes, der – liest man den Bericht des Bundesrates aufmerksam – genehmigungsreif ist, mit Ausnahme des Korsetts zur Kostenneutralität und einer Darstellung, wie man noch vorhandene Mängel nach der Einführung anpacken will.

Es stellen sich Fragen. Wie kann es sein, dass der Bundesrat einen Tarif nicht genehmigt, mit dem bereits während dem ersten Jahr seiner Inkraftsetzung 360 Millionen Franken an Gesundheitskosten im ambulanten Bereich eingespart werden können. Die Rechnung dazu: Man nehme das letzte, uns zur Verfügung stehende, abgebildete Jahr, (also 2021). Schaue auf die Kostenentwicklung im ambulanten Bereich (also 6 Prozent). Und vergleiche mit dem auf drei Jahre fixierten Kostenwachstum von maximal 3 Prozent. Das Einsparpotential für drei aufeinander folgende Jahre mit einem griffigen Kostenneutralitätskonzept gegenüber dem mit Fehlanreizen gespickten TARMED: Riesig!

Überhaupt: Die verhandelte Kostenneutralität des TARDOC hat ein Netz und zusätzlich einen doppelten Boden.  Will eine Einzelleistung in einem Fachbereich ausbüxen, wird das im Monitoring erkannt und die Leistung quasi zurückgepfiffen. Kommts zum Ausreisser in einem Kapitel, passiert dasselbe. Und reicht das immer noch nicht, korrigieren wir gestützt auf das Monitoring im ganzen TARDOC linear auf 3 Prozent herunter. So lautet der Vertrag, den wir mit der FMH ausgehandelt haben. Und darüber hinaus: Ein einmal justiertes System bleibt justiert, weil es eingespielt ist. Zumal konstant überwacht durch das Monitoring. Behauptungen, der Tarif gerate nach der Übergangsphase aus den Fugen, sind ohne Fundament.

Ich sage: Nutzen wir die gegenwärtige Stimmung, in welcher viele zurecht aufmerksam sind, und überführen die erstmals vom Bundesrat für die Genehmigung formulierten Kriterien zur Kostenentwicklung des TARDOC gemeinsam mit den diskussionsbereiten Partnern in die Praxis. Ich bin auch sicher, dass wir mit den kooperierenden Partnern die Pauschalen auf denselben Level bringen, wo wir jetzt den TARDOC haben. Ich nutze hier und jetzt die Gelegenheit, klarzustellen, wie wichtig mir und curafutura Lösungen gemeinsam mit unseren Kooperations-Partnern sind. Dass das nicht leere Versprechen sind, haben wir längst bewiesen. Schliesslich arbeiten wir auch bei EFAS, bei den Medikamenten und den Margen, bei den Reserven oder der Qualität in unterschiedlichen Konstellationen mit unseren Partnern zusammen – auch mit santésuisse.

Uns deswegen vorzuwerfen, wir seien ZU kooperativ, tönt fragwürdig für einen Verband mit Versicherern im Rücken, die für Versicherte die attraktivsten Prämien erzielen. Und trägt nicht viel Konstruktives zur Situation bei. Viel besser meine ich, ist es, wenn wir uns auf das chinesische Sprichwort besinnen und die Situation, die viele als Krise bezeichnen, als Gelegenheit nutzen.

Bevor wir in den Prämienherbst einsteigen, wünsche ich Ihnen eine erholsame Zeit und schöne Sommerferien. Interessant zum Lesen für Sie in unserem Newsletter: Der Artikel über die Solvenzquote der Versicherer. Oder jener zur neuen Plattform im Bereich Off-Label-Use. Ein Projekt, das nur dank Kooperation seinen Stellenwert entfalten kann und es bereits tut. Für  Patienten, Versicherte, Versicherer und Ärzte.