Das Kostenneutralitätskonzept zum TARDOC garantiert eine unterdurchschnittliche Kostenentwicklung und entlastet die Prämienzahler nachhaltig.

curafutura hat die Auswirkungen von TARDOC auf die Entwicklung der Gesundheitskosten neu analysiert. Dank einer verbindlichen Kostenobergrenze werden die Prämienzahler erheblich entlastet. Die Auswertung zeigt: Mit der dreijährigen Kostenneutralitätsphase betragen die Einsparungen 600 Millionen Franken – jährlich wiederkehrend. TARDOC kann also gerade jetzt einen wichtigen Beitrag zur Kostendämpfung leisten. Dies ist nach dem markanten Anstieg der Prämien 2023 und angesichts der aktuellen starken Kostenentwicklung umso nötiger.

Der neue ambulante Arzttarif TARDOC leistet einen bedeutenden Beitrag zur Kostendämpfung. Das Kostenneutralitätskonzept (Link) ist ein integraler Bestandteil des neuen Arzttarifs TARDOC. Es wurde vertraglich zwischen den Tarifpartnern vereinbart und ermöglicht die Kostenkontrolle nach Inkrafttreten des Tarifs, der den TARMED ersetzen soll. Kernstück des Konzepts ist die Festlegung eines verbindlichen Korridors für die Kostenentwicklung im Vergleich zum Jahr vor der Umstellung. Die untere Grenze des Korridors liegt bei -1% pro Jahr (Kostensenkung) und die obere Grenze bei +2% pro Jahr (Kostensteigerung). Darin sind alle über den TARDOC abgerechneten Leistungen enthalten.

Das heisst, wenn sich die Kosten ausserhalb dieses Korridors bewegen, werden Tarifkorrektur- und Ausgleichsmechanismen ausgelöst, um die Kosten wieder in den Korridor zurückzuführen. Wenn sich die Kosten hingegen innerhalb des Korridors bewegen (zwischen -1% und +2%), ist keine Korrektur erforderlich.

Einsparpotenzial von mindestens 187 Millionen Franken in einem Jahr

Zur Veranschaulichung präsentiert heute curafutura eine Analyse, die auf den letzten Daten zur Kostenentwicklung im Jahr 2022 basiert. Diese Auswertung zeigt, wie sich die Kosten entwickelt hätten, wenn der neue Arzttarif TARDOC bereits in Kraft wäre und somit das Konzeptkostenneutralität bereits umgesetzt würde.

Die ambulanten Kosten sind im Jahr 2022 um 3,5% gestiegen (Link). Da diese Kostenentwicklung ausserhalb des Kostenneutralitätskorridors liegt (zu hoch), wären mit dem TARDOC Tarifkorrektur- und Ausgleichsmassnahmen ausgelöst worden, um wieder unter die obere Schranke von +2% zu gelangen. Auf diese Weise hätte man 1,5% Prozentpunkte eingespart, was 187 Millionen Franken Einsparungen in einem einzigen Jahr entspricht.

Jährlich wiederkehrende Einsparungen von 600 Millionen nach drei Jahren

Das Kostenneutralitätskonzept greift nicht nur für ein Jahr: Die Phase der Kostenneutralität dauert mindestens drei Jahren nach Inkrafttreten des Tarifs. Der Bundesrat kann zudem beschliessen, diese Phase zu verlängern, wenn die von ihm aufgestellten Auflagen noch nicht erfüllt sind. Darüber hinaus ist ein langfristiges Monitoring vereinbart. Wenn man also die Auswirkungen von TARDOC auf die Entwicklung der Gesundheitskosten berechnet, muss man sich an der minimalen Dauer der Kostenneutralitätsphase orientieren, sprich drei Jahren.

Nach der dreijährigen Kostenneutralitätsphase resultieren jährlich wiederkehrende Einsparungen von 600 Millionen Franken, wenn das Wachstum im ambulanten Bereich in diesen drei Jahren bei 3.5% liegt. Diese Annahme ist bescheiden, hat doch das Volumen im ambulanten Bereich in «normalen» Jahren (ausgenommen z.B. Covid-Jahre) zum Teil deutlich über 4% zugenommen. Wenn das auch in den kommenden Jahren der Fall wäre, würden die Einsparungen noch höher als 600 Millionen Franken ausfallen.

Der TARDOC wird eine zentrale Rolle als Stabilisator der OKP-Kosten spielen

Mit seinem Kostenneutralitätskonzept bringt der TARDOC also im ambulanten Bereich – nebst dem Hauptziel der überfälligen Revision des Arzttarifs – eine Vorhersehbarkeit und eine beträchtliche Dämpfung der Kosten für mehrere Jahre. «Dies ist nach der Prämienerhöhung 2023 und angesichts der aktuellen Kostenentwicklung eine geradezu wohltuende Botschaft», sagt Pius Zängerle, Direktor von curafutura.

Der TARDOC hat damit eine dämpfende Rolle für die Gesamtkosten der Grundversicherung (OKP). Tatsächlich ist der hoffnungslos veraltete Arzttarif TARMED der bei weitem grösste Tarif in der OKP: Auf ihn entfällt ein Drittel der OKP-Ausgaben, nämlich ca. 13 Milliarden Franken jährlich. Eine Kostendämpfung mit einem medizinisch und ökonomisch aktuellen Tarifwerk hat also einen erheblichen Einfluss auf die OKP-Gesamtkosten und damit die Prämien aller Versicherten.

Kostenneutralität: Die Anforderungen müssen für alle gleich sein

curafutura erwartet mit Interesse das Kostenneutralitätskonzept für die ambulanten Pauschalen. In diesem Zusammenhang wird es wichtig sein, dass der Bundesrat an beide Vorlagen die gleichen Anforderungen stellt und diese mit dem gleichen Massstab beurteilt. So kann man vermeiden, dass auf der einen Seite eingespart und auf der anderen Seite zu viele finanzielle Mittel ausgegeben werden. Alle Unterlagen der zukünftigen Arzttarife müssen bis zum 30. Juni 2023 der Organisation für ambulante Arzttarife (OAAT) übermittelt werden.

Funktionsweise des Kostenneutralitätskonzepts

Die Forderung nach Kostenneutralität ergibt sich aus Art. 59c Abs. 1 Bst. c der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV): „Ein Wechsel des Tarifmodells darf keine Mehrkosten verursachen.“ Ziel dieser Bestimmung ist, dass der Wechsel vom bisherigen Tarif zum neuen Tarif nicht zu einem künstlichen Kostenanstieg führt, der allein auf den Tarifwechsel zurückzu-führen ist.
curafutura veröffentlicht das Kostenneutralitätskonzept des TARDOC, um Transparenz in dieser Debatte zu schaffen (Link). Das Konzept basiert auf folgenden ökonomischen und technischen Grundlagen:

1) Die Kombination von Preis- und Mengeneffekten wird umfassend berücksichtigt.
2) Die Kostenentwicklung wird über einen definierten Zeitraum beobachtet.
3) Mehr- und Minderkosten, die in anderen Tarifen entstehen, werden berücksichtigt.
4) Exogene Schocks, politische Eingriffe oder Struktur- und Preisänderungen in anderen Tarifen dürfen nicht dem Tarifmodellwechsel angelastet werden.

Im April 2013 haben sich die vier Versicherer CSS, Helsana, Sanitas und KPT entschieden, fortan ihren eigenen Weg zu gehen. Das war die Stunde von curafutura. Mittlerweile sind 10 Jahre vergangen. Und curafutura feiert das Jubiläum, begleitet von der Präsidiumsübergabe des Urner Ständerats Josef Dittli an Konrad Graber. 

Pius Zängerle, Direktor

Der Luzerner Konrad Graber dürfte vielen bekannt sein. Er war von 2007 bis 2019 Ständerat des Kantons Luzern und hier unter anderem in der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit auch als Präsident tätig. Er war aber auch bis im April 2023 Verwaltungsratspräsident von Emmi und in früheren Jahren im Verwaltungsrat der CSS.

Wenn wir zurückschauen und an die Anfangszeit denken, so kommen wir nicht am ersten Präsidenten von curafutura vorbei, dem heutigen Bundesrats Ignazio Cassis. Er sagte 2014 gegenüber den Medien zur Gründung von curafutura: «Mit mehr als 40 Prozent der Versicherten sind wir gross genug, um das Gesundheitswesen beeinflussen zu können. (…).» Die Leistungserbringer dürften sich ob der Präsenz von curafutura freuen, da sie mit einem Partner verhandelten, der offen spreche und Vorschläge nicht im Vornherein ablehne. Es gebe Grund zur Hoffnung, weil die Zielsetzungen mit vielen Leistungserbringern identisch seien.

Heute, 10 Jahre später, schauen wir in der Tat mit Stolz auf unsere Positionierung im Gesundheitswesen und auf das Geleistete. Nach zehn Jahren harter Arbeit sind unsere Reformziele in Reichweite.

Ein Überblick

curafutura hat sich stark vernetzt
Wir haben uns in den vergangenen Jahren aber auch national stark vernetzt. Heute sind wir auf dem Polit-Parkett ein gefragter Partner und in allen entscheidenden nationalen Gremien für Tarife und Daten eine etablierte Grösse in der Gesundheitspolitik. Aktuell erhalten wir viel Lob von anderen Verbänden für die konstruktive Zusammenarbeit. Das freut mich.

In meiner über 8-jährigen Tätigkeit bei curafutura bin ich oft gefragt worden, warum es zwei Verbände braucht. Das führt automatisch zur Rechtfertigung. Muss es aber nicht, sondern kann völlig werteneutral positiv kommentiert werden. Erstens: Weil nicht alle Versicherer die gleiche DNA haben, was Auswahl bietet. Zweitens: Weil zwei Verbände den Wettbewerb ankurbeln und sich im besten Fall in der strategischen Ausrichtung ergänzen. Und das wiederum, womit wir bei drittens sind, führt zwangsläufig dazu, dass Reformen gelingen können, wenn man sie zulässt, weil die Notwendigkeit besteht, endlich aus der Blockade heraus- und voranzukommen. 

Wo stünden wir heute ohne curafutura?
Meine wichtigste Antwort aber gegenüber meinen Gesprächspartnern ist jeweils eine Gegenfrage: Wo stünden wir heute ohne curafutura? Wo wären der neue Arzttarif, die einheitliche Finanzierung EFAS und die Margenrevision? Wo wären wir bei den Psychologischen Psychotherapien, wo wir innert kürzester Zeit eine Tarifstruktur entwickelt haben, die jetzt zur Anwendung kommt. Gäbe es eine Plattform mit Studienratings für KVV Art. 71a – 71d im Bereich Off-Label-Use für die Beurteilung im Einzelfall bei Medikamenten, die nicht auf der Liste der von der Grundversicherung zu zahlenden Medikamente ist?

Schulterzucken und Schweigen: Weil ich recht habe?
Ich erhalte auf meine Fragen meist ein Schulterzucken? Schweigen, weil ich recht habe? Oder Schweigen, weil die Antwort schwierig ist. Schliesslich wissen wir nicht, wo wir ohne curafutura stünden.

Unser neuer Präsident Konrad Graber, ein äusserst erfahrener Politiker und bekannt als Brückenbauer, sagte gegenüber Medien auf die Frage, was sein Ziel mit curafutura anbelange: Er wolle die starke Position von curafutura als wichtiger Akteur weiter auszubauen. Er werde sich dafür einsetzen, die Effizienz des Gesundheitssystems zu verbessern um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen hoher Qualität der Leistungen und einer angemessenen Kostenentwicklung zu wahren. 

Dem, liebe Leser, gibt es nicht viel hinzuzufügen. Es ist Zeit, Ihnen nach 10 Jahren intensivster Verbandsarbeit für Ihr Vertrauen in curafutura zu danken. Und anzustossen auf eine weiterhin kooperative, transparente und zukunftsgerichtete Zusammenarbeit für ein modernes Gesundheitssystem. 

Konrad Graber, neuer Präsident ab 1. Juni 2023
Extreme Positionen werden genutzt, um medial Aufmerksamkeit zu erzeugen und Interessen zum Durchbruch zu verhelfen. Die Wahrheit liegt in der Regel zwischen Schwarz und Weiss. Das galt im vergangenen Jahr bei der Kostendebatte und gilt bei aktuellen Diskussionen um einen behaupteten grossflächigen Versorgungsengpass bei den Medikamenten.
Pius Zängerle, Direktor curafutura

Es ist doch interessant: Im vergangenen Jahr konnten die Schwarzmaler unter den Gesundheitsexperten nicht oft genug betonen, dass sich die Prämienerhöhungen für das Jahr 2023 in einem zweistelligen Prozentbereich bewegen werden. Geworden sind es 6.6 Prozent. In diesem Jahr  verkehrt sich die Diskussion ins Gegenteil. Aus dem Fokus auf die Kosten wird der Fokus auf die Versorgung mit den entsprechenden Hiobsbotschaften. Das Unschöne daran: In beiden Fällen schürt man Ängste bei der Bevölkerung.

Im Fall der Kosten wissen wir inzwischen, dass wir uns im Jahr 2022 ab der zweiten Jahreshälfte wieder auf dem Vor-Corona-Niveau eingependelt haben. Die Nachfrage nach Leistungen ist zwar ungebrochen und in bestimmten Bereichen gar angestiegen. Trotzdem ist das Wort «Kostenexplosion» deplatziert. Im vergangenen Jahr hatten wir in der OKP eine Kostensteigerung pro Person von 2.6 %. Das ist das Niveau, das wir über die vergangenen 10 Jahre sehen (+2.8%). Und verglichen mit dem Massstab der Expertengruppe des EDI, die von maximal 2.7 % Kostensteierung in der OKP pro Jahr spricht, bevor Massnahmen zur Kostendämpfung ergriffen werden sollen, bewegen wir uns im angepeilten Bereich.

Versorgungsengpass oder Lieferengpass?

Wachsamkeit ist auch beim Wort «Versorgungsengpass» angebracht. Haben wir einen Versorgungs- oder  in bestimmten Bereichen einen Liefererengpass? Je nachdem kommen andere Massnahmen zum Tragen. Ein Grossteil davon muss nicht neu erfunden werden. Schliesslich ist das Thema in den vergangenen Jahren in regelmässigen Abständen auf dem Polit-Parkett gelandet und jedes Mal wurde evaluiert, inwiefern der Massnahmenkatalog stimmt.

Wichtig erscheint mir, dass jeder die Verantwortung für seine ihm aufgetragene Funktion übernimmt. So hat das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) die Oberaufsicht über den Medikamentenbestand in den Pfichtlagern. Es führt auch eine laufend aktualisierte Liste mit zugelassenen und erhältlichen Humanarzneimitten. Darauf können die Leistungserbringer zugreifen. Der Arzt wiederum verschreibt das Rezept für seine Patienten. Die Apothekerin steht diesen beratend zur Seite – vor allem auch in Bezug auf die Frage nach der Abgabe eines Generikums oder Biosimilars. Bei Bedarf kann der Apotheker beim Arzt zurückfragen. Anders gesagt: Wir haben genügend Medikamente am Lager. Aber nutzen wir auch die vorhandenen Möglichkeiten aus und sind flexibel im Handeln?

Für Stirnrunzeln sorgt bei mir der Umstand, dass die Verknappung von Medikamenten mit zu tiefen Medikamentenpreisen und Sparrunden begründet wird. Die Schweiz ist betreffend guter Medikamentenversorgung, aber auch betreffend Preise an der Spitze aller europäischen Länder. Die Originalpräparate sind deutlich teurer und die Generika-Preise sind sogar doppelt so hoch wie im Ausland. Am Preis kann es also nur bedingt liegen.

Extreme Voten sorgen für Aufmerksamkeit

Wie muss man nun das alles einordnen? Wie überall auf der Welt vermag man derzeit vor allem mit lauten, extremen Voten für Aufmerksamkeit zu sorgen. Wenig verwunderlich ob der Kommunikationsflut, die mit den sozialen Medien Einzug hielt. Differenzierte Töne sind weniger gefragt. Gerade die Schweiz ist allerdings in der Vergangenheit sehr gut mit wohlüberlegten Entscheiden gefahren. Wohin das Gegenteil führen kann, zeigt das Beispiel zur Zulassung ausländischer Ärzte, das unlängst im Parlament erneut thematisiert wurde. Dass ein Entscheid innert weniger Monate bereits wieder in Frage gestellt und umgestossen wird, darf nicht zur Tagesordnung werden. Sonst wird die Politik unglaubwürdig und das Vertrauen in den Rechtsstaat leidet – zum Nachteil von uns allen.

Viel wichtiger scheint mir daher, die angepeilten und von langer Hand geplanten Reformen bei den ambulanten Arzttarifen, die einheitliche Finanzierung EFAS sowie die Revision der Margen endlich final über die Ziellinie zu bringen. Das mag dramaturgisch zwar weniger medienwirksam inszeniert werden können, ist aber in der realen Welt umso effektiver.

Alle vom Bundesrat geforderten Anpassungen konnten vorgenommen werden

Die Tarifpartner FMH und curafutura haben die finale Version des neuen Arzttarifs TARDOC an die Organisation ambulante Arzttarife (OAAT) übermittelt. Die neue Version (V1.3.1) enthält die vom Bundesrat geforderte Anpassung der Kostenneutralität und die Konzepte zur Weiterentwicklung des TARDOC nach dessen Inkrafttreten. Damit ist der Einzelleistungstarif TARDOC  bereit, um spätestens im 2. Semester 2023 dem Bundesrat zur Genehmigung eingereicht zu werden.

Die Schweizerische Ärztevereinigung FMH und die Krankenversicherer von curafutura – CSS, Helsana, Sanitas, KPT – sowie SWICA  haben, unterstützt von den Versicherern der Unfallversicherung, Militärversicherung und Invalidenversicherung (MTK), die finale Version des TARDOC an die Organisation ambulante Arzttarife (OAAT) zugestellt. Der Einzelleistungstarif TARDOC soll – vereinbarungsgemäss zusammen mit den ambulanten Pauschalen – als separates Genehmigungsgesuch, spätestens im 2. Semester 2023 dem Bundesrat zur Genehmigung eingereicht werden. Derzeit werden in der OAAT AG gemeinsam Tarifierungsgrundsätze für eine Koordination für den TARDOC und die ambulanten Pauschalen erarbeitet, damit künftig beide Tarifwerke aufeinander abgestimmt angewendet werden können. 

Finale Fassung, die die Forderungen des Bundesrates integriert

Die finale Version des TARDOC enthält sämtliche Anpassungen, die der Bundesrat bei seiner Überprüfung  des Tarifs am 3. Juni 2022 verlangt hatte. Der Bundesrat hatte damals festgestellt, dass der TARDOC grundsätzlich genehmigungsfähig ist, aber zusätzliche Bedingungen bezüglich der Kostenneutralität und der kontinuierlichen Weiterentwicklung gestellt.

Daher enthält die finale Version des TARDOC erstens ein noch strengeres Konzept der Kostenneutralität. Der Korridor für die Kostenneutralität wurde reduziert: Die Obergrenze für die Kostenentwicklung in den drei Jahren nach Inkrafttreten beträgt nun maximal +2% jährlich. Zweitens enthält das Paket die vom Bundesrat geforderten Konzepte, die die Weiterentwicklung des TARDOC nach dem Inkrafttreten detailliert beschreiben. Der TARDOC soll per 1. Januar 2025 in Kraft treten und damit den längst veralteten TARMED ablösen.

Massgebliche Verbesserungen und Vorteile des TARDOC gegenüber dem TARMED:
• Deutliche Erhöhung der Sachgerechtigkeit der Einzelleistungs-Tarifstruktur.
• Aktualisierte Parameter des Tarifierungsmodells: Die für Berechnung der Taxpunkte notwendigen Parameter wurden mittels verwertbarer Statistiken und Erhebungen herangezogen oder Annahmen auf Basis des heutigen Wissensstands getroffen.
• Aktualisierung der Anwendungs- und Abrechnungsregeln der Tarifstruktur: eine einheitliche Anwendung ist sichergestellt, setzt Anreize für die effiziente Leistungserbringung und beugt missbräuchlicher Abrechnung vor.
• curafutura und FMH haben ein Kostenneutralitätskonzept zur Erfüllung der Vorgaben des Art. 59c Abs. 1 lit. c KVV über die Einführungsphase von drei Jahren verbindlich vereinbart.
• Neu verhandelter Grundvertrag KVG bildet das Fundament.
Pius Zängerle, Direktor curafutura.

Gross war der Aufschrei im November: Das Kantonsspital Aarau brauche dringend eine Finanzspritze über 240 Millionen Franken, vermeldeten die Medien. Die Spitalleitung habe das Finanzhilfegesuch bereits beim Regierungsrat deponiert. Die Wertberichtigung sei dramatisch, so der Verwaltunsratspräsident. Die Organisation sei stabil und liquide. Die Patienten würden versorgt. Aber ohne finanzielle Unterstützung müsse die Bilanz deponiert sowie ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden.

Das Kantonsspital Aarau ist nicht das einzige Spital in Finanznöten. Auch das Kinderspital in St. Gallen lässt ähnliches verlauten. Die Spitalleitung beklagt Unterdeckung vor allem bei den ambulanten Tarifen. Die Ostschweizer Ständeräte machen dieser Tage Druck in Bern.

Ist das nun symptomatisch für die ganze Spital-Branche? Nein, ist es nicht. Andere Spitäler sind gut unterwegs. Dennoch macht der Spitalverband H+ Druck. So auch in seiner jüngsten Medienmitteilung zum Thema Anpassung der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV): «Die Finanzierung der Spitäler und Kliniken im ambulanten Bereich bleibt ungenügend, da die Tarife zu tief sind.»

Als Direktor von curafutura würde ich es etwas anders formulieren: Ärzte operieren heute mit einem veralteten Tarif, der ihre moderne Medizin schon längst nicht mehr adäquat abbildet. Gewisse Positionen sind bis zu 25% zu hoch vergütet – auch im Spital – andere sind bei weitem nicht kostendeckend. Das muss zu Verzerrungen und falschem Anpassungsdruck führen: Am einen Ort zu viel, am anderen zu wenig Leistungen.

Die gute Nachricht: Der von curafutura, FMH und den Unfallversicherern der MTK entwickelte ambulante Einzelleistungstarif TARDOC ist bereit, um eingereicht zu werden – wenn möglich zeitgleich mit den Pauschalen von santésuisse und H+. Dies ist überfällig. Wem kann man schon erzählen, dass wir in der innovativen Schweiz im ambulanten Bereich mit einem Volumen von 12 Milliarden Franken pro Jahr mit einem Tarif operieren, der in einer Zeit genehmigt wurde, als der Bundesplatz noch ein Parkplatz war. Ein Tarif, der seither nie substanziell revidiert worden ist. 

Tarifbüro gegründet

Was mich optimistisch stimmt: Im November haben wir gemeinsam mit santésuisse, FMH, H+ und der MTK  unter der Leitung von Regierungsrat Pierre Alain Schnegg ein nationales Tarifbüro gegründet. Das ist ein weiteres Puzzelstück. Dass wir es allen Unkenrufen zum Trotz geschafft haben, dieses Büro ein Jahr vor der gesetzten Frist zu gründen und prozedural Klarheit rund um die Einreichung der beiden ambulanten Tarife zu schaffen, darf als Schritt in die richtige Richtung beurteilt werden (dazu mehr in diesem Newsletter).

In eine nebulöse Richtung scheint es hingegen bei den Preismodellen für Medikamente zu gehen. Kürzlich hat curafutura die 20 Medikamente mit dem grössten Umsatz analysiert und dabei Interessantes festgestellt: Bei 7 der 20 Medikamente ist ein Preismodell verhandelt worden. Mit anderen Worten: Publik ist nur der Schaufensterpreis, weil die Pharmafirmen nicht wollen, dass der verhandelte Preis bekannt ist. Angesichts des aktuellen Prämiendrucks ist das alles andere als erfreulich, selbst wenn curafutura klar der Ansicht ist, dass es ganz ohne Preismodelle nicht gehen wird.

Preismodelle: Kostentreibend oder kostensenkend?

Unsere Evaluation zeigt anhand zweier Medikamente der Top-20-Liste, dass die verhandelten Preise für die Pharmafirmen zumindest sicher nicht zum Nachteil gereichen. Auch darum fragen wir uns: Sind völlig intransparente Preismodelle nicht eher kostentreibend als kostendämpfend? Und warum wird nicht endlich mit dem Budget-Impakt-Modell bei den Medikamenten vorwärts gemacht. Ein überzeugender Vorschlag ist seit 2020 beim eidgenössischen Departement des Innern und dem Bundesamt für Gesundheit  in Auftrag gegeben. Damals wurde der Vorstoss vom Parlament überwiesen.

Sie sehen es, liebe Leserin, lieber Leser: Es gibt noch viel zu tun. Jetzt aber ist es bald Zeit, einen Gang zurückzuschalten und über die Festtage aufzutanken. Damit wir mit vereinten Kräften zusammen die Herausforderungen im 2023 anpacken können. Es wäre wünschenswert, wenn wir das Jahr nicht gleich mit neuen Spekulationen rund um die Kosten 2022 und die Prämien 2024 beginnen müssten.

Viel besser scheint mir, den Kopf für die wichtigen Reformen freizuhaben und 2023 Nägel mit Köpfen zu machen. Die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) hat eben im Ständerat die wichtige Hürde genommen. Sie geht 2023 in die Differenzbereinigung. Ich bin zuversichtlich, dass die wichtigste Reform seit der Einführung des Bundesgesetzes über die Krankenvesicherung KVG im kommenden Jahr grünes Licht erhält. Gelingt das gleiche bei den ambulanten Arzttarifen, würden wir aus gesundheitspolitischer Sicht in ein richtungsweisendes Jahr 2023 rutschen.

Ich wünsche Ihnen frohe Festtage und einen guten Start ins neue Jahr 2023!

Der Ständerat tritt auf das Gaspedal und macht bei EFAS vorwärts. Die einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen kann in die Differenzbereinigung. Damit dürfte das Geschäft – hoffentlich – bald in die Schlussrunde gehen. Kommt EFAS durch, ist ein Meilenstein für die Gesundheitslandschaft Schweiz erreicht, von dem in erster Linie die Prämienzahlerinnen und -zahler profitieren.

Drei Jahre nach dem Nationalrat hat der Ständerat die wohl grösste Reform seit Einführung des KVG, die einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (EFAS), fertig beraten. Damit geht das Geschäft jetzt in die Differenzbereinigung. curafutura mit den Mitgliedern CSS, Helsana, Sanitas und KPT hat die Vorlage seit langem als treibende Kraft vorangetrieben. Umso erfreuter ist der Verband über den Fortschritt, nachdem es eine Zeit lang danach aussah, als würde das Geschäft stillstehen. EFAS bringt zahlreiche Vorteile für das Gesundheitssystem. Unter anderem erhält die integrierte Versorgung weiteren Schub, und das ist sowohl für die Patientinnen und Patienten sowie für die Prämienzahlerinnen und -zahler zu begrüssen. Studien gehen von einem Kostendämpfungseffekt von zwischen 1 bis 3 Milliarden Franken aus. Aber auch insgesamt wird das Gesundheitssystem berechenbarer, weil die Leistung dort erbracht wird, wo sie den Prämienzahlenden respektive Patienten aus gesundheitlicher Sicht am meisten dient.

curafutura setzt sich für eine schlanke Vorlage ein

Unschön: Die Kantone sollen im stationären Bereich weiterhin Rechnungen kontrollieren. Damit wird jede stationäre Leistung doppelt kontrolliert, was unnötig kompliziert und auch Ressourcen fressend ist, denn bei der Rechnungskontrolle handelt es sich um das eigentliche Kerngeschäft der Versicherer. Nicht im Sinne der Versicherer ist auch die Integration der Langzeitpflege in EFAS. curafutura hätte die Langzeitpflege lieber in einem zweiten Schritt, auf der Basis von soliden Grundlagen eingeführt gesehen.

Insgesamt bleibt der Verband zuversichtlich, dass die Vorlage in der Differenzbereinigung noch effizienter ausgestaltet wird und setzt sich auch weiterhin dafür ein.

Preismodelle dämpfen die Kosten nicht, im Gegenteil

7 der 20 ausgabenstärksten Medikamente in der Schweiz basieren auf einem intransparenten Preismodell. Das heisst, wir kennen nur den publizierten Schaufensterpreis. Und dies in einem Bereich, der wegen der Zunahme hochpreisiger Medikamente die Kosten stark nach oben treibt. Eine neue Analyse von curafutura zeigt, dass die 20 ausgabenstärkten Medikamente in der OKP einen Fünftel der Medikamentenkosten von 8 Milliarden Franken ausmachen: Sie generierten innerhalb eines Jahres einen Umsatz von 1.7 Mia. Franken. Angesichts dieser Entwicklung scheint es bedenklich, die Preismodelle weiter auszubauen, wie der Bundesrat vorschlägt. Stattdessen hat curafutura eine wirksame Lösung bereit und fordert die rasche Einführung eines Budget-Impact Modelles.

Die Medikamentenkosten in der Schweiz sind unter Beobachtung: Die Ausgaben liegen mittlerweile bei 8 Milliarden pro Jahr. Die Kosten werden insbesondere von neuen, sehr teuren Medikamenten nach oben getrieben. Dies zeigt eine neue Analyse, die im Rahmen des Jahresmediengespräches von curafutura vorgestellt wurde. Die zwanzig ausgabenstärksten Medikamente der Spezialitätenliste (SL) des Bundes generierten von Oktober 2021 bis September 2022 zusammen rund 1.7 Milliarden Franken Umsatz. Das entspricht einem Fünftel der OKP-Medikamentenausgaben, Tendenz steigend. Denn diese 20 Medikamente wachsen mit +13% viel stärker als die restlichen Medikamente der SL-Liste (+5%), die von den Krankenversicherern vergütet werden.

Sieben Produkte mit Preismodell

Unter den Top 20-Medikamenten sind sieben Produkte mit einem hinterlegten Preismodell – darunter Trikafta. Der Umsatz dieses Medikamentes gegen die seltene Krankheit cystische Fybrose hat sich innerhalb eines Jahres mehr als verdreifacht (+215 Prozent) – von 23 Millionen auf 73 Millionen Franken. Aktuell kostet eine Behandlung in der Schweiz rund 253’000 Franken pro Patient und pro Jahr. Bei den anderen sechs Medikamenten mit Preismodell handelt es sich um Keytruda (Lungenkarzinom, Melanom), Darzalex (Knochenmarkkrebs), Ocrevus (Multiple Sklerose), Opdivo (diverse Krebserkrankungen), Xtandi (Prostatakarzinom) und Vyndaqel (Psoriasis) (siehe Top 20-Liste mit Farbe markiert).

Vertrauliche Preismodelle sind derzeit in der Schweiz ein grosses Thema. Verschiedene Akteure im Gesundheitswesen erwarten Transparenz, um die Preispolitik besser beurteilen zu können – so auch curafutura. «Nur wenn die Krankenversicherer wissen, welcher Preis zwischen dem BAG und der Pharmafirma verhandelt wurde, können sie entsprechend Einfluss nehmen, Rückschlüsse ziehen und die Interessen der Versicherten wahrnehmen», sagt Direktor Pius Zängerle. Und Roman Sonderegger, CEO des curafutura-Mitglieds Helsana, sagt: «Vertrauliche Medikamentenpreise wirken nicht kostendämpfend, im Gegenteil: Sie verursachen Mehrkosten.» Der Verband mit den Mitgliedern CSS, Helsana, Sanitas und KPT kritisiert darum das Ansinnen des Bundesrates, der mit dem zweiten Massnahmenpaket vermehrt Preismodelle einsetzen will und das Öffentlichkeitsprinzip weiter aushebeln möchte. Der Verband lehnt diese Absicht dezidiert ab.

Statt Blackbox-Preismodelle: Budget Impact-Modelle bringen konkrete Einsparungen

Statt die Intransparenz noch mehr auszubauen, gäbe es schon eine konkrete Lösung, um die Medikamentenkosten zu dämpfen. Das Budget-Impact Modell wurde 2020 vom Parlament angenommen. Die überwiesene Motion Dittli 19.3703 sieht vor, dass beim Überschreiten eines Schwellenwertes von 20 Millionen Franken Umsatz der Preis eines Medikamentes reduziert werden muss.

curafutura hat das Kostendämpfungspotenzial errechnet, das mit dem Top-1 Medikament Eylea eingespart werden könnte, wäre hier das Budget Impact-Modell schon ab 2014 bis 2021 zur Anwendung gekommen. Das Modell sieht vor, dass der Umsatzzuwachs aufgeteilt wird: Die Hälfte bleibt bei der Pharmafirma, die andere Hälfte kommt den Prämienzahlenden zugute, indem der Preis des Medikamentes reduziert wird. Das Fazit: Nur für das Medikament Eylea wären insgesamt Einsparungen von 174 Millionen Franken über die realisiert worden. Umso unverständlicher, dass der Vorstoss bis heute noch nicht umgesetzt worden ist.

Die Gesundheitskommission des Ständerats (SGK-S) sagt zwar im Grundsatz JA zur einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS). Das ist ein positives und wichtiges Signal. Sie baut aber gleichzeitig unnötige Doppelspurigkeiten ein. So sollen die Kantone Zugang zu Rechnungsdaten der Versicherer erhalten. Das läuft der Idee von EFAS fundamental zuwider. Nicht zielführend ist ausserdem die Integration der Langzeitpflege. Beide Verbände gewichten es als zentral, jetzt bei EFAS endlich Nägel mit Köpfen zu machen und bei dieser wichtigen Vorlage mit einer schlanken Ausgestaltung mehr Effizienz und langfristig tiefere Kosten im Gesundheitswesen zu erreichen.

Die SGK-S hat gestern bei EFAS vorwärts gemacht, das ist an sich positiv. Die gefällten Entscheide laufen allerdings dem eigentlichen Ziel der einheitlichen Finanzierung zum Teil zuwider. Das gilt bei der Rechnungskontrolle und bei der Langzeitpflege. So bedauern curafutura und santésuisse den Entscheid zum Zugang der Kantone zu Rechnungsdaten der Versicherer. Für unsere Krankenversicherer ist klar: Rechnungskontrolle ist unsere Kernkompetenz. Dank der Kontrolle erzielen alle Versicherer zusammen über 3.5 Milliarden Franken Minderausgaben. Das entspricht rund 10 Prozent Einsparungen auf den Prämien. Davon profitieren die Prämienzahlerinnen und -zahler. Dass die Kantone ebenfalls Einsicht in Einzelrechnungen oder diese gar doppelt kontrollieren wollen, ist ineffizient, unverhältnismässig und nicht im Sinne der Versicherer.

Weiterer Wermutstropfen: Die SGK-S spricht sich dafür aus, die Langzeitpflege in EFAS zu integrieren. Das verändert die Rahmenbedingungen, weil ein Bereich integriert werden soll, bei dem die Datengrundlage noch gar nicht vorhanden ist. curafutura und santésuisse erachten es als sinnvoller, zuerst die Akutpflege in EFAS zu integrieren und über die Integration der Langzeitpflege dann zu diskutieren, wenn die Datengrundlagen vorliegen. Die Versicherer sind bereit, hier die nötigen Diskussionen prioritär zu führen, um diese wichtige Reform nun endlich zu realisieren.

Das Hauptziel von EFAS ist es, die bestehenden Fehlanreize im System auszumerzen und mehr Effizienz und Qualität hineinzubringen. Mit EFAS wird die Verlagerung vom stationären in den kostengünstigeren ambulanten Bereich sozialverträglich vorangetrieben. Weil EFAS zudem alternative Versicherungsmodelle durch tiefere Prämien noch attraktiver macht, verleiht die Reform der integrierten Versorgung zusätzlichen Schub. Diesem Ziel soll das Parlament Rechnung tragen, wenn die Gesundheitskosten langfristig bezahlbar bleiben sollen.

Pius Zängerle, Direktor curafutura

Nach der Ankündigung der Prämien 2023 werden viele Versicherte wie jedes Jahr einen Prämienrechner benutzen. Die Frage, die sie sich stellen: Können sie durch einen Wechsel der Franchise, des Versicherungsmodells oder des Versicherers Geld sparen? Und wenn ja, wie gross ist das Sparpotenzial? Der Prämienrechner liefert ihnen eine Antwort auf den Rappen genau.

Wer sich die gleiche Klarheit vom zweiten Massnahmenpaket „zur Kostendämpfung“ erhofft hatte, wurde enttäuscht. In den elf Seiten Gesetzesänderungen und der 79-seitigen Botschaft, die dem Parlament im September übermittelt wurde, sucht man vergeblich nach Angaben zu den Einsparungen, die die sieben vorgeschlagenen Massnahmen zur Kostendämpfung mit sich bringen sollen. Nicht einmal eine vage Grössenordnung.

Diese Feststellung lässt aufhorchen. Sollte man nun die Massnahmen analysieren und versuchen, die Absichten herauszufinden? Man würde denselben Fehler begehen wie gewisse Ingenieure, die für jedes Problem eine Lösung suchen. Und darob vergessen, sich zu fragen, ob das Problem überhaupt eines ist und ob von Relevanz. Dieses Verhalten ist leider auch in der Gesundheitspolitik mittlerweile stark verbreitet.

Vereinfacht die vorgeschlagene Lösung das ursprüngliche Problem?

Betrachten wir also zunächst einmal das zweite Massnahmenpaket in seiner Gesamtheit. Es ist ein grosses Paradoxon, dass der Bundesrat sagt, er wolle die Kosten unter Kontrolle bringen, während er nicht in der Lage zu sein scheint, die erwarteten Einsparungen zu beziffern. Auf der anderen Seite wissen wir genau, wie schnell die Kosten steigen: +2,5% pro Jahr in den letzten zehn Jahren. Bei Gesamtkosten in der OKP von mittlerweile 36 Milliarden Franken bedeutet dies ein Plus von durchschnittlich 900 Millionen Franken pro Jahr. Ohne Preisschild haben wir keine Ahnung, wie das Sparpotenzial der Massnahmen im Verhältnis zum Gesamtvolumen und zum Wachstum  ausschaut. Unsere Einschätzung würde völlig unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob damit Einsparungen von 10 Millionen (dann wäre dieses zweite Massnahmenpaket völlig unbedeutend), 100 Millionen (dann würde es einen leichten Beitrag zur Kostendämpfung leisten) oder 1 Milliarde Franken (dann wäre es das Allheilmittel) erzielt werden könnten.

Wie ist dieses Fehlen von Angaben zu den erwarteten Einsparungen zu verstehen? Handelt es sich um wissenschaftliche Zurückhaltung angesichts der Schwierigkeiten im Kontext mit Prognosen? Wenn man die sieben vorgeschlagenen Massnahmen im Detail betrachtet, kommt man eher zu folgendem Schluss:  Dieses Massnahmenpaket führt nicht wirklich zu Einsparungen. Es bedient sich nur des Begriffs der Kostendämpfung. Im Übrigen vermisse ich auch eine Erklärung der Mechanismen, wie die Einsparung erzielt werden soll.  

In der Realität wird es anstelle einer Kostensenkung zu einer weiteren Inflation der staatlichen Regulierung kommen, die zum Mikromanagement beiträgt. Das beste Beispiel hierfür ist die als Flaggschiff angepriesene Massnahme zur integrierten Versorgung. Während sich die Netzwerke zur koordinierten Versorgung seit Jahren organisch entwickeln und immer mehr Versicherte sie nutzen, indem sie ein alternatives Versicherungsmodell wählen, sieht der Entwurf vor, diesen Bereich stark zu regulieren. Es würden neue Stellen in der Verwaltung geschaffen, da die Kantone neu dafür zuständig wären, diese Netzwerke zuzulassen – wie sie es heute bei den Ärzten tun – und ihnen Leistungsaufträge zu erteilen. Der Bundesrat könnte zudem eine Reihe zusätzlicher Kriterien festlegen.

Zusammenfassend handelt es sich um einen Etikettenschwindel, denn was als Massnahmenpaket „zur Kostendämpfung“ vorgestellt wurde, ist in Wirklichkeit vor allem ein Massnahmenpaket für noch mehr Regulierung  Und das in einem System, dessen grosses Problem schon heute die ausufernde Regulierung ist, die es so komplex macht, dass kaum noch jemand ernsthaft behaupten kann, den Überblick zu haben.

Dabei liegen konkrete Massnahmen auf dem Tisch, mit denen die Kosten eingedämmt werden könnten. Der neue ambulante Arzttarif TARDOC hätte 500 Millionen Franken eingespart, wenn er 2021 in Kraft getreten wäre, und zwar dank eines Kostenneutralitätskonzepts, das ein maximales Kostenwachstum von +3% festlegt (gegenüber den effektiven +9% mit TARMED allein im Jahr 2021). Die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) würde Einsparungen zwischen 1 und 3 Milliarden Franken bringen. Beide Projekte wurden leider mehrfach vertagt: Der TARDOC vom Bundesrat und EFAS vom Ständerat. Hoffen wir dennoch, dass sie bald zur Umsetzung kommen. Denn eines ist sicher: Die Rettung für den Prämienzahler wird nicht durch das zweite Massnahmenpaket erfolgen.

Der Bundesrat hat am Dienstag die Prämien für 2023 bekannt gegeben. Diese steigen im Durchschnitt um 6,6 Prozent. Der Prämienanstieg spiegelt den Kostenanstieg wider, der insbesondere durch einen Nachholeffekt bei jenen Eingriffen verursacht wurde, die während der Pandemie verschoben worden sind. Allerdings hätte man es in der Hand gehabt, immerhin bei den grossen Reformen vorwärts zu machen, um grobe Fehlanreize im System auszumerzen. curafutura fordert deshalb den Bundesrat, das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) und das Parlament auf, die Verantwortung wahrzunehmen und die Revision des Arzttarifs durch den TARDOC, die einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (EFAS) sowie die Beseitigung der Fehlanreize bei den Vertriebsmargen der Medikamente tatkräftig zu unterstützen und rasch zu realisieren.

Das Kostendämpfungspotenzial der beiden vom Bund angestossenen Massnahmenpakete ist nicht bekannt und mehr als fraglich. Der Kostendämpfungseffekt der wichtigsten Reformen hingegen ist beträchtlich und hätte bereits jetzt einen Kostenbremseffekt erzielt. Umso unverständlicher ist es, dass diese immer wieder verschoben werden.

Wäre der neue Arzttarif TARDOC 2021 in Kraft getreten, hätte er Einsparungen von über 500 Millionen Franken ermöglicht. Das Kostenneutralitätskonzept zum TARDOC schreibt einen maximalen Anstieg von +3% pro Jahr im ambulanten Bereich vor. Für 2021 lag der Kostenanstieg bei +9%, wobei ein überproportionaler Anteil in den Spitalambulatorien zu verzeichnen ist.

Mit der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) könnte mindestens 1 Milliarde Franken eingespart werden. Diese Reform ist leider seit 2019 im Ständerat hängig.

Schliesslich würde die Revision des Systems der Vertriebsmargen für Arzneimittel den Anteil der Generika erhöhen. Dieser ist in der Schweiz mit einer Quote von etwa 20% immer noch sehr niedrig ist. Die Revision der Vertriebsmargen für Medikamente hätte unmittelbare Einsparungen von 60 Millionen Franken zur Folge. Hinzu kämen Einsparungen in Höhe von mehreren hundert Millionen Franken durch die Substitution von Originalmedikamenten durch Generika und Biologika.

Zusammen haben diese drei zentralen Reformen ein Kostendämpfungspotential von über 5% des Prämientotals, das derzeit ungenutzt brachliegt.

Reserven: Schluss mit der sterilen Polemik

Die Solvenzquote ist innerhalb eines Jahres von durchschnittlich 207% auf 163% gesunken. Infolgedessen waren es berechtigte Warnungen der Versicherer, wonach die Reserven naturgemäss volatil sind aufgrund von sich Jahr für Jahr ändernden Risiken.

Angesichts dieser Situation ist curafutura der Ansicht, dass weitere politische Massnahmen, die Reserven zu senken oder zu erhöhen, kontraproduktiv und gefährlich sind. Es zeigt sich nun, dass es sinnvoller gewesen wäre, in diesem Jahr mehr Spielraum zu haben, um den Prämienanstieg 2023 zu dämpfen, anstatt die Versicherer im vergangenen Jahr zum Reservenabbau zu drängen und die Prämien 2022 möglichst knapp zu kalkulieren, nachdem die Prämienentwicklung damals recht flach war.